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Die Borderline-Persönlichkeitsstörung


   
 

Die Bezeichnung "Borderline" hat eine wechselvolle, wenn auch kurze Geschichte hinter sich. Trotz seines Status als einer offiziellen diagnostischen Einheit erstmals in der weltweit anerkannten DSM-III-Nomenklatur Anfang der 80erJahre, ist seine Benutzung als formale syndromale Kennzeichnung bis heute umstritten. In seiner strengen linguistischen Bedeutung vermittelt der Begriff "Borderline" einen mittleren Schweregrad entweder eines Persönlichkeitsfunktionsniveaus oder einer strukturellen Organisation. Insgesamt beinhaltet der Begriff Borderline ein instabiles Verhaltensmuster, das sehr unterschiedliche Merkmale zum Ausdruck bringt (zusammenfassend in Millon, 1996).
Jahrzehntelang galt die Borderline-Störung als psychische Erkrankung, die an der Grenze zwischen neurotischen und psychotischen Störungen anzusiedeln war. Erst mit der Verbesserung der Diagnostik wird sie als abgrenzbare spezifische Störung anerkannt. Bei der Diagnose einer Borderline-Störung (BPS) erfolgt die Orientierung an den Kriterien aus dem DSM-IV, dem Diagnostischen und Statistischen Manual Psychischer Störungen:

  1. Verzweifeltes Bemühen, tatsächliches oder vermutetes Verlassenwerden zu vermeiden.
  2. Ein Muster instabiler, aber intensiver zwischenmenschlicher Beziehungen, das durch einen Wechsel zwischen den Extremen der Idealisierung und Entwertung gekennzeichnet ist.
  3. Identitätsstörung: ausgeprägte und andauernde Instabilität des Selbstbildes oder der Selbstwahrnehmung
  4. Impulsivität in mindestens zwei potentiell selbstschädigenden Bereichen - Geldausgaben, Sexualität, Substanzmissbrauch, rücksichtsloses Fahren, "Fressanfälle"
  5. Wiederholte suizidale Handlungen, Selbstmordandrohungen oder -deutungen oder Selbstverletzungsverhalten.
  6. Affektive Instabilität infolge einer ausgeprägten Reaktivität der Stimmung z.B. hochgradige episodische Dysphorie, Reizbarkeit oder Angst, wobei diese Verstimmungen gewöhnlich einige Stunden und nur selten mehr als einige Tage andauern).
  7. Chronische Gefühle von Leere.
  8. Unangemessene, heftige Wut oder Schwierigkeiten, die Wut zu kontrollieren (z.B. heftige Wutausbrüche, andauernde Wut, wiederholte körperliche Auseinandersetzungen)
  9. Vorübergehende, durch Belastungen ausgelöste paranoide Vorstellungen oder schwere dissoziative Symptome.

Besondere Merkmale:
Das Verhaltensmuster bei der BPS konnte bisher überall in der Welt gefunden werden. Das Auftreten der BPS wird auf ca. 2% in der Allgemeinbevölkerung, auf ca. 10% bei ambulanten und ca. 20% bei stationären psychiatrischen Patienten geschätzt. In klinischen Populationen mit Persönlichkeitsstörungen liegt sie im Bereich von 30-60%. Die BPS wird überwiegend (75%) bei Frauen diagnostiziert. Die Prävalenz der BPS wird in den USA mit 1.0 bis 1,8% angegeben. Auffallend ist eine hohe Suizidrate von 5-10% und eine Selbstverletzungsrate von 69-80%. Das höchste Suizidrisiko liegt zwischen dem 20.-30. Lebensjahr. In der Mehrzahl sind Frauen betroffen (70-77%). Es besteht eine hohe Komorbidität zu anderen Störungen. Komorbid findet man häufig affektive Erkrankungen (81-100%), Angsterkrankungen/PTSD (24-81%), Substanzmissbrauch (21-67%), Essstörungen (14%).

Ätiologische Aspekte:
Bei der Diagnose einer BPS finden sich in 70% der Fälle frühe chronische Traumata wie sexueller Missbrauch und /oder emotionale Vernachlässigung. Außerdem prä- und postnatal eine Häufung neurologischer Erkrankungen und körperlicher Schädigungen. Bei Vorliegen einer BPS liegen ausgeprägte Störungsmuster auf mehreren Ebenen vor:

  1. Neurobiologische Ebene:
    Auf neurobiologischer Ebene finden sich Störungen der Emotionsregulierung im limbischen Hirnsystem sowie eine erhöhte Dissoziationsneigung. Hierzu gehören: rasch einschießende Affekte, eine starke Auslenkung der Affekte, eine langsame Rückbildung, ein hohes Grunderregungsniveau, Flashbacks, szenische Halluzinationen, Gedankenlautwerden, und eine ausgeprägte Dissoziationsneigung.
  2. Ebene unrealistischer Bewertungsprozesse:
    Hierzu gehören sehr ausgeprägte Schuld- und Schambesetzte Grundannahmen, die in sich resistent bleiben, retraumatisierenden Erfahrungen unterliegen und somit immer wieder aktiviert werden können.
  3. Ebene dysfunktionaler Handlungen:
    Hierzu gehören suizidale Handlungen, Selbstverletzung, aggressive Durchbrüche, schambesetzte Meidung, und Hochrisikoverhalten.


Die Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT) der Borderline-Störung


Zusammenfassung:
Der Therapieansatz der DBT entspricht den Kriterien, die heute an eine moderne Psychotherapie gestellt werden. Die DBT basiert auf einer Daten gestützten Theorie. Sie verfügt über ein Manual. Sie ist störungsspezifisch konzipiert, und sie integriert ein breites Spektrum therapeutischer Strategien und Techniken, wie kognitive Verhaltenstherapie, Körpertherapie, Hypnotherapie, Gestalttherapie, Psychodynamik und Zen. Die DBT wurde erfolg reich an spezifische Erfordernisse in der Behandlung von Borderline-Patienten adaptiert. Ihre Wirksamkeit wurde in kontrollierten und randomisierten Studien überprüft und nachgewiesen. Die DBT stellt ein Behandlungskonzept dar, das ursprünglich Anfang der 90er Jahre von Prof. Marsha M. Linehan in Seattle/USA für die ambulante Psychotherapie chronisch-parasuizidaler Frauen mit der Diagnose einer Borderline-Störung entwickelt wurde.
Der DBT-Therapieansatz ist mittlerweile in vielen Ländern (England, Italien, usw.) und auf verschiedenen Kontinenten (Amerika, Asien, Europa) verbreitet. Er wurde in den letzten Jahren an verschiedene Versorgungserfordernisse angepasst: an stationäre und teilstationäre Behandlungskonzepte, an modifizierte Konzepte für Adoleszente (DBT-A), an drogenabhängige und essgestörte Patienten mit einer Borderline-Störung.

Im deutschsprachigen Raum ist in den 90 er Jahren die DBT vom Forschungsteam der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Freiburg (Ltg. Dr. M. Bohus) für die stationäre klinische Behandlung adaptiert worden. Über die Fortbildungseinrichtung der Arbeitsgemeinschaft für Wissenschaftliche Psychotherapie (s. AWP/ Freiburg und Berlin, Ltg. M. Bohus) und durch das regelmäßige bundesweite Netzwerkwerktreffen hat der DBT-Therapieansatz mittlerweile in vielen klinischen und sozialtherapeutischen Einrichtungen innerhalb der einzelnen Bundesländern Eingang gefunden.
Der Dialektisch-Behaviorale Therapieansatz wird geleitet von dem zentralen Gedanken der affektiven Dysregulation als dem Kernproblem der Borderline-Störung. Entsprechend steht die Bearbeitung dysfunktionaler Problemlösemuster zur Affektregulation wie z.B. suizidale Handlungen, selbstschädigendes Verhalten und Dissoziationen, im Blickpunkt der Aufmerksamkeit. Danach lässt sich die Entstehung einer Borderline-Störung als ein Zusammenwirken von sozialen Faktoren wie frühe Traumatisierung und Vernachlässigung auf der einen Seite und aus neurophysiologischen Dispositionsfaktoren wie affektive Vulnerabilität auf der anderen Seite erklären.

Zur Entwicklung des DBT-Ansatzes:
Linehan arbeitete ursprünglich vor allem mit suizidalen Patientinnen. Von der Verhaltenstherapie herkommend wurden zunächst ausschließlich kognitiv-behaviorale Verfahren angewandt, was sich als wenig wirksam erwies, da sie der Komplexität der Borderline-Persönlichkeitsstörung nicht gerecht wurden. Außerdem war evident, dass suizidale und Borderline-Muster affektive dysfunktionale Problemlösemuster darstellen. Somit sah sie sich mit ihrem Forschungsteam vor die Herausforderung eines zu erweiternden Behandlungsmodells gestellt. Mit der Dialektisch-Behavioralen Therapie wurde ein komplexer Therapieansatz begründet, der kognitive-behaviorale Interventionen (Skills-Training, kognitive Umstrukturierung, Expositionstraining, Kontingenzmanagement, Verhaltensanalyse) mit östlichen Meditationspraktiken verbindet (Mindfulness/s. Achtsamkeit), und dabei auch humanistische und psychodynamische Therapieaspekte integriert, verbunden mit Gestalt- und mit paradoxen Strategien.
Die dialektische Grundidee in dem Dialektisch-Behavioralen Therapieansatz ist zentral. Sie bedeutet, dass der Therapeut auf die Regung der Patientin aufmerksam zwischen den Polen der Akzeptanz und der Veränderung reagiert. Mit Hilfe der dialektischen Strategien selbst oder der dialektischen Bewegung zwischen den Akzeptanz- und Änderungsstrategien kann somit eine Atmosphäre für Veränderung entstehen.

Das Entstehungsmodell der BPS im Rahmen der DBT:
Das Entstehungsmodell in der DBT basiert auf der Bio-Sozialen Lerntheorie von Millon. Danach besteht eine transaktionale Beziehung zwischen der Disposition zur affektiven Dysregulation aufgrund eines hypersensitiven Nervensystems - das ist die biologische Konstante - und der Unfähigkeit, die Emotionen gegenüber der Außenwelt zu modulieren - das ist die soziale Konstante. Das Kernproblem der affektiven Dysregulation entwickelt sich umso mehr, wenn das hypersensitive Kind in bezug auf seine Umgebung keine Unterstützung erfährt. Linehan geht bei dem sozialen Entstehungsaspekt von einem invalidierenden Umfeld aus. Es ist ein Umfeld mit einer gewalttätigen Kommunikationserfahrung, häufig bestimmt von sexueller Gewalterfahrung und emotionaler Vernachlässigung. Die Familie, in der das Kind aufwächst, vermag nicht zu diskriminieren, was es gerade macht und wieso es dies macht. In invalidierenden Familien sind Regeln vorherrschend wie: kümmere Dich nicht um Deinen Schmerz, sei nicht unabhängig, sei nicht von uns verschieden, kreiere keine Probleme für irgendjemanden in und außerhalb der Familie.
Durch das Zusammenwirken dieser biosozialen Faktoren kommt es zu einer Störung der affektiven Regulation, bei dem ein hypersensitives Nervensystem schon bei geringfügigen emotionalen Stimuli mit einem starken Erregungsanstieg reagiert, der mit einer unmittelbaren und sehr intensiven Reaktion einhergeht. Zusätzlich erfolgt ein sehr verlangsamter Erregungsrückgang, da die Emotionen, unterstützt von der kognitiven Feed-Back-Schleife, weiter angefeuert werden. Die Patientinnen bleiben in ihren Affekten stecken und laden sich sozusagen immer wieder neu auf. Die hohe Reaktivitätsrate schließt extreme Reaktionen ein. Ausschlaggebend ist dabei der dysregulierte psychophysiologische Spannungspegel, der zu einem extrem hohen Spannungsanstieg führt, welcher nicht mehr reguliert werden kann und somit zu einem Ausbruch drängt. Zur Spannungsregulierung greifen dann die Betroffenen häufig zu selbstverletzendem Verhalten, Suizidversuchen oder Dissoziationen. Der Registrierung und dem Abbau des hohen Erregungspegels wird in der Dialektisch-Behavioralen Therapie sehr viel Beachtung geschenkt.

Bei der Entwicklung des DBT-Ansatzes haben sich Linehan und ihr Team an drei wesentlichen Kriterien orientiert:
1. ein Ansatz, der die affektive Dysregulation verringert,
2. ein Ansatz, der den Patienten am Leben erhält,
3. ein Ansatz, der strukturiert ist (bei dem der Therapeut weiß, was er zu tun hat).

Es haben sich die folgenden fünf Therapieeinheiten in der DBT bewährt:
1. Strukturierung der Behandlung,
2. Fertigkeitentraining (Skillstraining),
3. Dialektische Strategien,
4. Achtsamkeit/ Mindfulness.
5. Validierung

Im Weiteren wird näher auf die 1. Strukturierung der DBT-Behandlung und auf das 2. Fertigkeitentraining eingegangen:

1. Strukturierung:
Der Dialektisch-Behaviorale Therapieansatz gliedert sich in drei Therapiephasen auf.

Vorbereitungsphase:
Die Vorbereitungsphase dient der Einführung in das Therapierational der DBT und dem Commitment seitens der Patientin dazu.

Therapiephase:
In der ersten Therapiephase stehen die Reduzierung suizidaler, therapiegefährdender und die Lebensqualität einschränkender Verhaltenswiesen sowie die Bearbeitung von Verhaltensdefiziten im Mittelpunkt. Am Ende des ersten Therapiejahres (bei ambulanter Therapie) sollte die Patientin zumindest über ein grundlegendes Wissen und Basiskompetenz bezüglich der in der DBT vermittelten Verhaltensfertigkeiten verfügen. Eine stationäre Behandlung wird über die erste Phase kaum hinauskommen. Sie dient der stabilisierenden Vorbereitung auf eine ambulante DBT, welche eine Vertiefung der ersten Phase sowie die zweite und dritte Phase beinhalten soll.

Das Therapie-Vorstadium (7-10 Tage):
Es dient der Diagnostik, der Aufklärung über die Erkrankung und der schriftlichen Therapievereinbarung für die DBT. Die Therapie beginnt nicht, bevor der Patient folgenden Punkten zugestimmt hat:
Non-Suizidvertrag mit der Zusage zum Stop von lebensbedrohlichem Verhalten; Zustimmung zu der Hierarchisierung der Problembereiche, Zustimmung am Abbau von Reduktion von selbstschädigendem und Lebensqualität beeinträchtigenden Mustern sowie nicht-therapie-gefährdendem Verhalten zu arbeiten, und die Zustimmung zur Kombination Einzel und Gruppe. Die PatientInnen verpflichten sich an diesen Zielbereichen zu arbeiten. Hierzu gehört auch die Zustimmung zu der Regelung, bei Selbstverletzung eine Verhaltensanalyse anzufertigen wie die Zustimmung zum Kontingenzmanagement: 24 Stunden-Regel, d.h. kein Kontakt zum Einzeltherapeuten, wenn sich die Patientin verletzt hat.
Während der Therapie-Vorphase wird ebenso die Biosoziale Theorie erläutert, nach der die Muster im Sinne dysfunktionaler Problemlösemuster bisher einen Sinn machten (s. Akzeptanz: Validierungsstrategie) jedoch nun durch die Arbeit der Patientin zu reduzieren sind (s. Veränderung: Konfrontations-Strategie). Somit ist nach Beendigung des Therapie-Vorstadiums klar, an welchen Problembereichen zuerst gearbeitet wird und wie sie im Wochenprotokoll einzutragen sind. Die Patienten führen fortlaufend ein Wochenprotokoll, in das Spannungszustände, Drogenkonsum, Bulimie, Schneiden, Unwohlsein und sonstige dysfunktionale Verhaltensweisen entsprechend ihrer Intensität und Frequenz eingetragen werden.
Die Verhaltensanalyse (VA) bildet dabei ein wichtiges Handwerkszeug . Die Verhaltenskette plus das Wochenprotokoll bzgl. der jeweils dysfunktionalen Muster beginnt mit der ersten Sitzung. Erst über sie kann eine Fallformulierung erfolgen. Durch eine VA sollen die Betroffenen lernen, Einsicht in den Spannungsaufbau zu erhalten und das im Fertigkeitentraining Gelernte in Handlungspläne einzubauen. Es wird gemeinsam erarbeitet, worin die auslösenden Faktoren und worin die Konsequenzen bestehen. Entsprechend dem dialektischen Vorgehen ist es einerseits wichtig, der Klientin durch die sofortige Teilnahme am Fertigkeitentraining viele Fertigkeiten und damit frühzeitig Selbstwirksamkeitserfahrungen zu vermitteln. Gleichzeitig ist es notwendig, sehr achtsam und validierend auf die affektive Dysregulation der Patientin einzugehen.

12-wöchige stationäre Therapiephase:
Während dieser Therapiephase (ambulant: 1-2 Jahre, stationär: 12 Wochen) soll vor allem die emotionale Belastbarkeit erhöht werden. Hierbei werden viele Fertigkeiten (Skills) aus dem Fertigkeitentraining vermittelt. Zu ihnen gehören maßgeblich die Skills zur Verbesserung der inneren Achtsamkeit (mindfulness skill) und zur Emotionsregulation. Sie zielen darauf ab, die eigenen Affekte und Spannungszustände zu verstehen, die Vulnerabilität für die einschießenden Affekte und Spannungszustände zu reduzieren und zu modulieren. Die erste Therapiephase befasst sich mit der Reduktion selbstschädigender Verhaltensmuster. Hierzu gehört maßgeblich die Beseitigung externer Faktoren, die eine unkontrollierte Aktivierung von traumatischen Erinnerungen begünstigen. Es gilt, Retraumatisierungen durch sexuellen Missbrauch zu verhindern. Es ist dafür zu sorgen, dass die wohnungslose Patientin erst mal eine Wohnung beziehen kann, dass sie ihr High-Risk-Verhalten aufgibt, usw. Die Strukturierung der sozialen Umwelt der Klientin ist von Anfang an sehr wichtig. Bei fehlender Berücksichtigung retraumatisierenden Faktoren kann z.B. das suizidale Verhalten verstärkt werden, was in eine Therapieblockade führt. In der DBT wird daher von Anbeginn darauf eingegangen, wie die Klientin bei Konflikten mit dem sozialen Umfeld besser umgehen kann.

Jede Therapiesitzung folgt einem strukturierten Ablauf, dessen Agenda jeweils zu Beginn festgelegt wird. Anhand des Wochenprotokolls (in das z.B. Schneiden, Erbrechen, Drogenkonsum und Spannungszustände eingetragen werden) werden die Problembereiche hierarchisch nach der Dringlichkeit geordnet und werden in der folgenden Reihenfolge bearbeitet: an oberster Stelle stehen suizidales und parasuizidales sowie selbstschädigendes Verhalten, gefolgt von therapiegefährdendem Verhalten, gefolgt von Beeinträchtigungen der Lebensqualität und der Verbesserung von Verhaltensfertigkeiten. Therapiegefährendes Verhalten (z.B. keine Hausaufgaben, in der Stunde dissoziieren, Wochenprotokoll nicht ausgefüllt, Therapiesitzungen versäumen, TherapeutInnen attackieren) wird von dem Therapeuten in der DBT grundsätzlich nicht ignoriert. Die Basis-Regel dabei lautet:
Um effektiv zu arbeiten, kann die Klientin nicht die vom Therapeuten gesetzten Regeln und Grenzen übergehen. Der Therapeut geht dabei nicht verurteilend vor, sondern behandelt therapiestörendes Verhalten wie auch dysfunktionales Verhalten und deren negative Konsequenzen als Tatsache. Er fungiert vielmehr als Modellvorgabe in bezug auf das wichtige Behandlungsziel innerhalb der ersten Therapiephase, dem Aufbau der inneren Achtsamkeit (Mindfulness).
Eine wichtige Rolle im Umgang mit den therapeutischen Grenzen spielt auch die Teamsupervision bzw. die Teamintervision. Sie gehört in der DBT zum Therapierational. Die Teamsupervision ist notwendig, um den demoralisierenden Tendenzen beim Therapeuten entgegen zu wirken. Ohne Team-Unterstützung würde sich schnell ein Burn-Out beim Therapeuten einstellen. In der Teamsupervision wird außerdem auf Therapie-gefährdendes Verhalten beim Therapeuten (fehlendes Ausbalancieren therapeutischer Strategien, defensives Verhalten, etc.) aufmerksam gemacht.

2. Fertigkeitentraining:
Das Fertigkeitentraining (sog. Skillstraining) wird in einer DBT-Gruppe parallel zur Einzeltherapie durchgeführt. Für den Therapeuten ist es vorteilhaft, die Fertigkeiten bei sich selbst eingeübt zu haben. Das Skillstraining besteht aus einem halbstandardisierten Trainings-Manual. Es beinhaltet die vier Module: 1. die Innere Achtsamkeit (dem Zen angelehnt), 2. bewusster Umgang mit Gefühlen, 3. Stress-toleranzfertigkeiten und 4. zwischenmenschliche Fertigkeiten. Die Module nehmen im ambulanten Setting je 8-12 Sitzungen in Anspruch (im stationären Setting entsprechend modifiziert). Die Patientinnen führen wöchentlich Übungen zu den jeweiligen Arbeitsblättern durch, die sie in einem Wochenprotokoll eintragen.

1. Innere Achtsamkeit: Fertigkeiten zur Steigerung der inneren Achtsamkeit haben eine zentrale Bedeutung in der DBT und werden daher als erstes vermittelt. Diese Übungen beruhen auf der Praxis des Zen und östlichen Meditationspraktiken. Zu den Übungen gehören die Was-Fertigkeiten der inneren Achtsamkeit: Beobachten, Beschreiben, Teilnehmen, die mit den Wie-Fertigkeiten, wirkungsvoll, konzentriert, nichtbewertend, kombiniert werden. Daneben wird intuitives Verstehen eingeübt. Insgesamt ist die Innere Achtsamkeit ein Weg, um Gefühl und Verstand in ein Gleichgewicht zu bringen, um den Augenblick wahrzunehmen, und um die dysfunktionalen emotionsabhängigen Verhaltensreaktionen zu reduzieren.

2. Bewusster Umgang mit Gefühlen/emotionale Regulierung: In diesem Modul werden spezifische Fertigkeiten für einen bewussten Umgang mit Gefühlen vermittelt. Ziel dieses Moduls ist es, die eigenen Gefühle zu verstehen. Die Klientinnen üben ein, ihre Gefühle zu identifizieren und deren Funktionen im kommunikativen Kontext zu analysieren, die emotionale Verwundbarkeit zu verringern, positive Emotionen für sich häufiger erfahrbar zu machen, und das eigene emotionale Leiden zu vermindern. Ein Skill betrifft z.B. das Verändern von Gefühlen durch entgegengesetztes Handeln zu Ärger, Angst , Scham, Traurigkeit und Schuldgefühl.

3. Stresstoleranzfertigkeiten:
Die Fertigkeiten zur Stresstoleranz sind eine Fortsetzung der Fertigkeiten zur Steigerung der Inneren Achtsamkeit. Bei den dazugehörigen Übungen spielt das Annehmen und Ertragen von Belastungen und deren Sinnfindung eine große Rolle. Ziel bei der Aneignung von Stresstoleranzfertigkeiten ist es, die Fähigkeit zu erwerben, Krisen auszuhalten und zu überleben sowie die Fähigkeit, das Leben anzunehmen wie es im Augenblick ist. Übungsbeispiele sind: Radikale Akzeptanz, Bereitschaft/Willingness (kommt aus dem spirituellen Bereich, und stellt das Gegenteil von Wollen/Willfullness dar). Bewährte Fertigkeiten zur Kontrolle dissoziativer Zustände sind z.B.: Fishermans friend kauen, an Ammoniak riechen, oder Eis in die Hand nehmen. In einem individuell zusammen gestellten Notfallkoffer übt die Klientin im Alltag ein, ihre eigenen Stresstoleranzstrategien ggf. zu aktivieren.

4. Zwischenmenschliche Fertigkeiten:
Dieses Modul ist angelehnt an das soziale Kompetenztraining. In ihm werden soziale Strategien vermittelt, wie man nach etwas fragen kann, das man braucht, wie man nein sagen oder wie man mit interpersonellen Konflikten wirkungsvoll umgehen kann.

Sollten Sie weitere Fragen haben, dann wenden Sie Sich bitte an:
Oberarzt Dr. C.-H. Lammers

 

Literatur

Eine gute Darstellung der Borderline-Erkrankung und des generellen Behandlungskonzeptes finden Sie in dem Buch "Borderline-Störung" von Martin Bohus und "Ratgeber Borderline-Syndrom" von Ingrid Sender.


 

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Impressum

© 2002  

Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Freien Universität Berlin, Eschenallee 3, 14050 Berlin

Letzte Änderung: 25.10.2002