Eve soll erstes Klonbaby sein

Eine Sekte gibt in den USA die Geburt des ersten angeblich geklonten Kindes bekannt, ohne nähere Details zu nennen. Wissenschaftler zweifeln das an und sprechen von Bluff und Manipulation
aus Paris DOROTHEA HAHN

Seit vorgestern weilt es angeblich unter uns: das erste geklonte Baby der Geschichte. Es soll ein Mädchen sein und Eve heißen. Es soll per Kaiserschnitt und "problemlos" zur Welt gekommen sein. Es soll denselben "genetischen Plan" wie seine Mutter haben, die somit zugleich seine ältere eineiige Zwillingsschwester wäre. Und es soll in einem Labor von "Clonaid" entstanden sein. Letzteres ist ein in den USA angesiedeltes Unternehmen, das die Sekte der Raelianer gegründet hat - zum Zwecke des Gelderwerbs und um zu ewigem Leben (in jeweils neuen Körperhüllen) zu gelangen.

Mehr über das angeblich am 26. Dezember geborene Klonbaby war bis Redaktionsschluss nicht bekannt. Die französische Chemikerin Brigitte Boisselier, die der Sekte angehört und auch das Unternehmen "Clonaid" leitet, verriet weder, in welchem Land sie die Laborexperimente durchgeführt habe, noch, wo das Baby zur Welt gekommen sei. Wenige Tage vor der Geburt hatte die seit Jahren in den USA lebende Boisselier bereits der französischen Nachrichtenagentur AFP angekündigt, die Geburt des ersten Klonbabys stehe unmittelbar bevor. Weitere vier Klonbabys aus ihren Labors stünden kürz vor der Geburt. Sie will im vergangenen Frühjahr zehn geklonte Babys eingepflanzt und nur fünf davon durch Fehlgeburten verloren haben.

Sollte stimmen, was Boisselier behauptet, hätte die 46-Jährige den Wettlauf um das menschliche Klonen gewonnen. In Deutschland und Frankreich ist das Klonen von Menschen verboten. Beide Länder versuchen, in der UNO ein generelles menschliches Klonverbot durchzusetzen. In den USA ist das Klonen von Menschen von keinem Gesetz geregelt, aber genehmigungspflichtig. Clonaid hat eine solche Genehmigung nicht.

Genforscher halten die Erfolgsmeldung für einen Bluff von Boisselier. Mit wissenschaftlichen Erfolgen oder Veröffentlichungen ist sie nie in Erscheinung getreten. Wohl aber mit spektakulären und bislang folgenlosen Ankündigungen. Bekannt geworden sind auch ihre Anzeigen im Internet, in denen "Clonaid" geklonte Babies gegen Bares verspricht.

Der renommierte französische Mediziner Axel Kahn nennt die Geschichte von dem ersten Klonbaby eine "Manipulation". Der Unterschied zwischen "Glaube und Wissenschaft", so Kahn, bestehe darin, dass Letztere belegbar sei. Erst wenn von der Sekte unabhängige Wissenschaftler den Nachweis lieferten, dass Mutter und Baby tatsächlich denselben genetischen Plan hätten, könne man von einem Klonbaby ausgehen. Bis dahin gelte, so Kahn, dass der Wissenschaft bislang nicht einmal das Klonen von Affen gelungen sei. Dass bei Mäusen und Kühen, wo das Klonen besonders einfach sei, nur 1 Prozent der Versuche erfolgsgekrönt sei.

Die Sekte der Raelianer wurde 1973 von dem französischen Motorsportjournalisten Claude Vorilhon gegründet, der sich seit seiner "Erleuchtung" Raël nennt. Der Medienrummel des gestrigen Tages war für den Guru, der weltweit 50.000 zahlende Anhänger haben will, in jedem Fall ein Erfolg. Laut Raël und Boisselier sind die Menschen das Produkt von Genmanipulationen auf einem anderen Planeten und wurden anschließend auf die Erde gebracht. Wenn es gelinge, menschliche Klone herzustellen, könne die Menschheit eine "Geniokratie", die Herrschaft der Intelligentesten, installieren. Raël braucht zu diesem Zweck 144.000 klonenswerte "Genies" . Den Rest der Menschheit braucht der Guru nicht.

taz Nr. 6940 vom 28.12.2002, Seite 10, 117 TAZ-Bericht DOROTHEA HAHN

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