Vorwort von Dr. Joycelyn M. Elders: Wir US-Amerikaner befinden uns mitten in einer sexuellen Krise. Wir führen die westliche Welt in scheinbar jedem sexuellem Problem an: Teenagerschwangerschaft, Abtreibung, Vergewaltigung, Inzest, Kindesmissbrauch, Geschlechtskrankheiten, HIV/AIDS und viele mehr. Doch sobald unsere Gesundheitsministerin eine Gesundheitsinitiative zur Förderung umfassender Sexualaufklärung, der Enthaltsamkeit und anderen verantwortlichen Sexualverhaltens startet, um das eingeschworene Schweigen über Sexualität zu brechen, wollen wir die Gesundheitsministerin feuern. Sexuell übertragbare Krankheiten, von den ernsthaften bis zu den tödlichen, gehören zur Lebenswirklichkeit in Schulen und Nachbarschaften im ganzen Land. Über gebräuchliche sexuelle Praktiken wie die Masturbation grassieren Fehlinformation und Einschüchterung. Trotz dieser Fakten und trotz überwältigenden Elternwunsches nach detaillierter schulischer wie häuslicher Sexualaufklärung für ihre Kinder, verharrt unsere Gesellschaft unwillig, den Bestandteil Sexualität in die Gesundheitserziehung aufzunehmen, und ängstlich bis zur Hysterie über Jugend und Sex. Unsere Volksgesundheitspolitik zur Sexualerziehung erscheint mehr ideologisch motiviert denn empirisch gestützt. Egal, wie weitverbreitet, politisch gangbar oder populär ein Lehrplan auch ist, muss die Wirksamkeit zur Prävention und Verhaltensänderung bezüglich dieser sexuellen Krise doch das primäre Kriterium zur Lehrplanänderung bleiben. Ironisch für jemanden, den man heute mit sexueller Unverblümtheit in Verbindung bringt, bin ich in einer Umgebung aufgewachsen, in der Sex nie diskutiert wurde. Im Laufe meines Lebens bin ich vom gesellschaftlich auferlegten kompletten Stillschweigen über Sex bis zum alltäglichen beruflichen Umgang mit manchen der schwierigsten sexuellen Probleme gekommen. Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie es ist, ignorant und unwissend zu sein, und wie lebenswichtig es ist, informiert zu sein. Ich habe mit Eltern gesprochen, die gerade erfahren haben, dass ihr Baby mit geschlechtlich zweideutigen Genitalien geboren wurde, und mit Eltern, deren Kind sich keiner Pubertät nähert. Große Teile meines beuflichen Lebens habe ich mit dem Versuch verbracht, Leute aufzuklären und soziale Richtlinien zu entwickeln, um die Probleme anzugehen, die an unserer Gesellschaft nagen: Teenager-Schwangerschaft mit der häufigen Folge unentrinnbarer Armut, Ignoranz, Versklavung, Geschlechtskrankheiten, HIV+AIDS. Tag ein und Tag aus damit konfrontiert, werde ich unduldsam gegenüber Leuten, die kondomempfehlenden Gesundheitsbehörden, Lehrerinnen und Eltern widersprechen. Wie Ira Reiss so eloquent in seinem Buch "Solving America's Sexual Crisis" sagt, reißen Enthaltsamskeitgelübde viel öfter als Latexkondome. Hysterie über Sex hat Versuche behindert, die drängenden Fragen zu beantworten, und die Leidtragenden sind die, die die Informationen am dringendsten bräuchten: unsere Jugend, die Armen und die Uninformierten. Unwissenheit ist kein Segen. All dies macht "Harmful to Minors" so ein ungemein wichtiges Buch: eins, das uns eine unbedingt notwendige neue Perspektive auf diesen kritischen Bereich eröffnet. Schöpfend aus Medienberichten (und weniger bekannten), Interviews mit jungen Leuten und ihren Eltern und scharfsinniger Analyse, argumentiert Judith Levine leidenschaftlich für aufrichtiges und unverblümtes Gespräch mit Kindern über Sex und durchleuchtet sie den politischen Hintergrund vieler vermeintlicher Kinderschutzbemühungen. Das vielleicht Wertvollste an diesem Buch ist, wie es das dominante und oft versteckte Faktum konturiert, das sexualpolitische Diskussionen in unserem Lande beherrscht: der Einfluss der religiösen Rechten, die ich bekanntermaßen die "sehr religiöse, nicht christliche Rechte" schimpfe. Ich habe schon oft gesprochen und geschrieben von meinem Ekel vor Leuten, die sich in den ungeborenen Fötus verliebt glauben, Kinder nach der Geburt aber vernachlässigen. "Harmful to Minors" begründet nicht nur die entscheidende Bedeutung der Verfügbarkeit offenherziger akkurater Information über Sexualität für Menschen jedweden Alters, sondern entwirft dafür auch einen möglichen vernünftigen bejahenden Lehrplan. Sex als gefährlich zu betrachten ist selbst gefährlich. Wir brauchen Sachlichkeit über letztendlich eine Lebenswirklichkeit. Judith Levine argumentiert überzeugend, dass es eine intime Beziehung gibt zwischen den Werten, die wir in unserem Sexleben zeigen, und den Werten, die wir als Gesellschaft leben. Sie hat Recht: Sex ist ein moralischer Knackpunkt. Aber nicht so, wie ihn die religiöse Rechte beansprucht. Kinder müssen sexuelle Ethik und Verantwortung gezeigt bekommen, daheim und außerhaus, genauso wie sie in etlich anderen öffentlichen und privaten Arenen sich zu verhalten lernen müssen. Kindern Selbstachtung beizubringen, gute Gefühle zu sich selbst zu haben und gute Entscheidungen treffen zu können, das ist für mich wirkliche sexuelle Aufklärung.