Mit einem Vorwort von Ernst Federn
War zu Freuds Zeiten die neurotische Erkrankung ein Ausdruck der Sexualitätsfeindlichkeit der Gesellschaft, so kann in unserer hochtechnologisierten Konsumgesellschaft die Borderline-Erkrankung in ihrer angepaßten Fassadenhaftigkeit, Standpunktlosigkeit und Desintegriertheit als Krankheit unserer Zeit gelten. Schon 1976 stellte Günter Ammon das Borderline-Syndrom als eigenständiges Krankheitsbild erstmalig der wissenschaftlichen Öffentlichkeit vor.
Der vielfältig zersplitterten Identität der Borderline-Kranken setzt der Autor ein integriertes ganzheitliches Persönlichkeitsverständnis entgegen, das gerade in der Auseinandersetzung mit dem Borderline-Syndrom entstand. Diesem Persönlichkeitskonzept zufolge werden schwere psychische Erkrankungen als Identitätskrankheiten verstanden mit einem im Unbewußten liegenden Identitätsdefizit. In der Therapie geht es daher nicht zentral um die Beseitigung der oft schillernd wechselnden Symptomatologie, sondern um die Arbeit an dem unbewußten Persönlichkeitskern. Ziel der Behandlung von BorderlinePatienten ist die Integration ihrer mehrdimensionalen, aber desintegrierten Möglichkeiten innerhalb einer nachholenden Identitätsentwicklung. Gerade bei dieser Erkrankung ist es wichtig, die therapeutische Zweiersituation um die Dimension der Gruppe zu erweitern.
Neben einem Verständnis der Dynamik des Krankheitsgeschehens bildet daher den Hauptteil dieses Buches das therapeutische Spektrum von sorgfältig aufeinander abgestimmten nonverbalen und verbalen Therapiemethoden, wie Günter Ammon sie in zwei Jahrzehnten in den Dynamisch-Psychiatrischen Kliniken in München entwickelte.
Aus dem Vorwort von Ernst Federn:
"Ammon hat in der Diskussion um dieses Krankheitsbild eine neue theoretische Richtung, ein eigenes Verständnis und eine daraus abgeleitete Behandlungsmethodik im Sinne einer humanstrukturellen Identitätstherapie mit der Konzeption der Sozialenergie und Gruppendynamik entwickelt. Es ist daher zu begrüßen, daß Günter Ammons Schriften über die Anwendung seiner weiterentwickelten psychoanalytischen Methodik auf die Behandlung der sogenannten "Borderline-Fälle", die er als Ich-Störungen erkannte, nun veröffentlicht werden und damit therapeutischer Optimismus auch für eine Gruppe von Patienten möglich wird, die lange Zeit als nur schwer oder kaum therapierbar galt. Daß das Ich eine wichtige soziale Funktion verrichtet, war schon immer bekannt, aber erst die neuen Erkenntnisse über die frühen Beziehungen zwischen Mutter und Kind erlauben uns, neue Behandlungsmethoden für diese seelischen Störungen zu entwickeln. Günter Ammon war ein Pionier auf diesem Gebiet."
1982 übernahm Pschyrembel in seinem Klinischen Wörterbuch den Begriff wie folgt:
'Borderline-Syndrom (Günter Ammon): psychiatrische Krankheitsbilder, die im gleitenden Spektrum zwischen neurotischer und psychotischer Persönlichkeitsstörung liegen. Bei zugrundeliegender Ich-Schwäche und Störung im Persönlichkeitskern, der Identität, unterscheidet sich das B. von den psychotischen Krankheitsbildern durch eine relativ intakte Fassade, manchmal sogar überkompensiert und brillierende Ich-Funktionen. Es besteht eine Bereitschaft zu kurzen psychotischen Episoden, aber auch zu passageren neurotischen Reaktionen.'
Das Buch enthält eine Sammlung von Arbeiten Prof. Günter Ammons und Mitarbeitern aus den Jahren 1974-1995.
Pinel - Verlag für humanistische Psychiatrie und Philosophie GmbH
Berlin 1998, 320 Seiten, Paperback DM 38,- ISBN 3-922109-20-9
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