Der Guru und das Klon-Baby
Wie die Raëlianer-Sekte gerne Menschen züchten möchte
Gechmacksache Klonen
Das Gespräch mit Linus Geisler
Zwei Autostunden von Montreal liegt das Mekka der Raëlianer. Jener Sekte, die ihren weltweit 55.000 Mitgliedern nicht weniger verspricht als das ewige Leben auf Erden. Ein glückliches Dasein für immer.
Raëls Kinder - Gen-Technik in der Hand von High-Tech-Spinnern
"Ja, wir würden Hitler klonen" - Die Klon-Pläne des UFO-Sektenchefs Raël
Foto Auf dem Weg zum Landeplatz der Außerirdischen kommt man an einem Schild vorbei, auf dem steht, dass der Messias schon unter uns ist. Eine Verheißung inmitten der kanadischen Pampa. In den Seminaren auf dem Campus steht die freie Liebe hoch im Kurs. Da wird quer durch die Geschlechter geschmust und gepoppt. Die Fortpflanzung indes überlässt man dem Laboratorium. Nie wieder Erblinien verwässern. Jetzt wird geklont. Der RMX 2010 macht's möglich: Ein gut 9000 Dollar teures Gerät, das eine entkernte, von jedem Erbgut befreite Eizelle mit ein wenig DNS verschmelzen lässt. Mit der Maschine aus dem Hause Raël kann sich jeder mit minimalem Aufwand verdoppeln. Ein Stückchen Haut genügt. "Dieses Gerät dient dazu, eine hohe Spannung zu erzeugen, die über Elektroden direkt an die Zellen in der Schale mit dem Ei und den Spenderzellen weitergeleitet wird. Daraufhin findet die Verschmelzung statt", erklärt Brigitte Boisselier, Wissenschaftlerin und Bischöfin der Raëlianer.
Sie kennen keine Zweifel

Guru Raël
Sektenführer Raël verspricht ewiges Leben - Klonen um jeden Preis
Foto Der Apparat hat eine lange Geschichte. Außerirdische UFO-Piloten hätten vor rund 25.000 Jahren die Menschheit in einem genialen Klon-Experiment erschaffen - da sind sich die Raëlianer sicher und haben darum ein Raumschiff ins Zentrum ihrer Kanadischen Tingstätte gestellt, gleich daneben eine überdimensionale Helix. Die Raëlianer kennen keinerlei Zweifel: Klonen ist der Weg zu einer besseren Menschheit, die nur noch schöne, kluge, gesunde und moralische Erdenbewohner kennt. Dafür bürgt Raël, der Guru. Er will das Kommando zum Klonen von ganz oben, von einer extraterrestrischen Raumschiff-Besatzung erhalten haben. Ganz irdisch ist dagegen seine Behauptung, dass es keine ethischen Grenzen in der Wissenschaft gäbe. "Ethikkommissionen sollte es überhaupt nicht geben", sagt er, außer für "die Wissenschaft vom Tod". Damit meint er Waffen aller Art, mit denen Menschen getötet werden. "Aber Wissenschaft ist auch lebensbejahend. Klonen dient dazu, Leben zu schaffen, Kinder zu gebären, Krankheiten zu heilen. Daher sehe ich hier keinen Grund für eine Ethikkommission."
Klonbilder auf Fenstern
Internetseite der Raëlianer
Foto Selbst die bemalten Fenster im raëlianischen Zentrum sind noch Programm: Mit Reagenzglas und Pipette entstehen neue, idealtypische Menschen. Kreaturen aus korrigiertem Erbgut. Noch ist das erste Klon-Baby nicht geboren. Doch die Nachfrage scheint immens. Thomas Kaenzig, Vizepräsident von Clonaid, des raëlianischen Sub-Unternehmens, hat keinen Zweifel: Der Coup mit dem Klonen dürfte ein Millionen-Geschäft werden. Für homosexuelle oder unfruchtbare Paare, für Singles. Die bange Frage lautet einzig: Wann wird der Alptraum Wirklichkeit?
Raëls späte Hippie-Kinder

Brigitte Boisselier
Foto "Wir haben über 300 geklonte menschliche Blastozysten gezüchtet und zahlreiche Implantationen vorgenommen", behauptet Brigitte Boisselier. "Die Geburt des ersten Babys werde ich natürlich bekannt geben, aber ich werde Ihnen keine Daten im Voraus nennen." Die Wissenschaftlerin scheint sich ihrer Sache, ihres Erfolges sicher. Ebenso wie Raëls späte Hippie-Kinder, die jüngst auf den Straßen Montreals für das Klonen warben: Frauen in knappen T-Shirts, lustvoll tanzend. Solche braucht die Wissenschaftlerin. Etwa 50 Leihmütter stünden zur Verfügung, sagt Boisselier. Und auch Raël umgibt sich gern mit diesen jungen, gesunde Frauen, den Garantinnen rassisch wertvollen Erbguts. Wie beklemmend vertraut das klingt.
Willkommen im UFO-Land
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Foto Für den Guru ist das Klonen freilich nur eine Vorstufe. Bald, so verspricht er, werden seine Leute auch in der Lage sein, neben dem Erbgut, auch die Seele, die Psyche in den Klon zu übertragen. Dann sei das ewige Leben ganz nah. "Man muss die Freiheit der Menschen akzeptieren, die das Leben so lieben, dass sie sich entschließen, für immer zu leben", predigt er. "Es wäre schrecklich jemanden dazu zu zwingen, zu sagen: Du musst ewig leben. Nein! Sie können, wenn sie wollen. Aber wenn sie nicht wollen, dann sterben sie eben. Um so besser, dann ist mehr Platz für die anderen." So einfach ist das. Denn für unglückliche, traurige, kranke Menschen ist in der Welt von Raël und den Seinen ohnehin kein Platz.

Alles nur High-Tech-Spinnereien? Wir sprechen mit Linus Geisler von der Enquete-Kommission "Recht und Ethik der modernen Medizin".

01.08.2002
Kulturzeit