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         Wolfgang Bosbach
Rechtsanwalt
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Berlin, 06. November 2002

Herrn
Kurt Hartmann

Per E-Mail: hyperlink

Sehr geehrter Herr Hartmann,
ich beziehe mich auf Ihre E-Mail vom 04. November 2002, mit der Sie mich um Informationen zur Initiative der Union zur Verbesserung des Schutzes der Bevölkerung vor Sexualverbrechen und anderen schweren Straftaten bitten.

Die von Herrn Ströbele in der Diskussion bei Phoenix vertretene Rechtsauffassung zum „g
emeinschaftlichen Handeln`` von zwei oder mehreren Personen war falsch und nicht richtig. Er ist offensichtlich einem Rechtsirrtum unterlegen, möglicherweise deshalb, weil er sich seine Antwort schon parat gelegen hatte, ohne sich das von mir erwähnte Fallbeispiel zu Ende anzuhören.

Der sexuelle Missbrauch von Kindern ist gemäß § 176 StGB „nur`` ein Vergehen und kein Verbrechen (das will die Union ändern).

§ 30 StGB stellt (nur) die Verabredung zu einem Verbrechen unter Strafe, nicht jedoch die Verabredung zu einem Vergehen.

Wenn sich also zwei Personen/Täter verabreden, ein Kind sexuell zu missbrauchen,
so ist dies nach der derzeit geltenden Rechtslage straflos (Diesen Rechtszustand will die Union ändern).

Ich habe in der Diskussionssendung bei Phoenix darauf hingewiesen, das und warum ich es für unerträglich halte, dass in Deutschland die Verabredung von zwei oder mehr Personen, ein Kind sexuell zu missbrauchen, straflos ist. Darauf hin hat Herr Ströbele (sinngemäß) entge
gnet, dass dieses Verhalten strafbar sei, denn dann hätten ja „mehrere gemeinschaftlich`` gehandelt, offensichtlich hat er hier an § 176a Abs. 1 Ziffer 2 gedacht.

Dieser Rechtsansicht ist jedoch unzweifelhaft falsch, weder die Rechtsprechung noch die j
uristische Literatur teilt die Ansicht des Kollegen Ströbele, denn § 176a Abs. 1 Ziffer 2 spricht ausdrücklich und ausschließlich davon, dass „die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird``. Unter Strafe gestellt wird also der sexuelle Missbrauch eines Kindes, nicht etwa die gemeinschaftlich Verabredung von mehreren Personen ein Kind sexuell zu missbrauchen.

Hierauf haben Sie selber in Ihrer E-Mail zutreffend hingewiesen.

Die Union will mit ihrer Gesetzesinitiative unter anderem den sexuellen Missbrauch von Ki
ndern als Verbrechen kennzeichnen, mit der Rechtsfolge, dass gemäß § 30 StGB auch schon die Verabredung zum sexuellen Missbrauch von Kindern strafbewehrt wäre.

In Ihrer E-Mail heißt es diesbezüglich „Kein Verbrechen hingegen ist es sich lediglich zur Tat zu verabreden.`` Eben. Gerade weil diese Bemerkung richtig ist, wollen wir diesen Rechtsz
ustand ändern. Für die Union ist und bleibt es unerträglich, dass nach geltendem Recht die Verabredung zum sexuellen Missbrauch von Kindern straflos ist.

Anders formuliert: Die Union will nicht nur den gemeinschaftlichen sexuellen Missbrauch von Kindern, also den schweren sexuellen Missbrauch von Kindern unter Strafe stellen, so
ndern auch schon die Verabredung zum sexuellen Missbrauch von Kindern.

Da § 176 StGB „nur`` ein Vergehen und kein Verbrechen ist, fällt die Kenntnis von einem derartigen Tatgeschehen unter § 35 SGB I. Wenn der diesbezüglich betroffene Personenkreis von einem derartigen Tatgeschehen Kenntnis erlangt, ist es ihm verboten (!) diesen Sachve
rhalt zur Anklage zu bringen. Selbst wenn z.B. ein Sozialarbeiter es für unbedingt notwendig erachten würde, dass ihm zur Kenntnis gelangte Tatgeschehen den Strafverfolgungsbehörden zur Kenntnis zu bringen, um den Täter dingfest zu machen und das Opfer oder weitere potentielle Opfer zu schützen, wäre dies aus Rechtsgründen nicht möglich. Anders wäre die Lage dann, wenn der § 176 StGB (wieder) zu einem Verbrechen heraufgestuft wurde, denn dann wäre § 73 SGB I einschlägig.

Ihre Argumentation in den beiden letzten Absätzen Ihrer E-Mail vermag ich
leider beim besten Willen leider nicht nachzuvollziehen, zumal ich Ihnen wirklich nicht unterstellen möchte, dass Sie tatsächlich die Auffassung vertreten, dass es möglicherweise dem „Kindeswohl`` dienen könnte, den permanenten sexuellen Missbrauch des Kindes nicht mit allen gebotenen Mitteln zu verhindern um die Familie „nicht zu zerschlagen``. Außerdem darf ich Sie in diesem Zusammenhang darum bitten, nicht ein Recht auf eine Strafanzeige mit einer Pflicht zur Erstattung einer Strafanzeige zu verwechseln.

In diesem Zusammenhang hat der Präsident des Landgerichtes Traunstein, Klaus Weber, in der Sachverständigenanhörung des Deutschen Bundestages am 14. Februar 2002 u.a. folge
ndes ausgeführt: „Schließlich ist die Aufstufung zum Verbrechen auch für die Anzeigebereitschaft wichtig: Mit der Kennzeichnung des sexuellen Missbrauchs von Kindern als Verbrechen ist es klar, dass das Sozialgeheimnis … der Offenbarung solcher Straftaten nicht entgegen steht… Es ist zu erwarten, dass die Jugendämter und anderen Sozialbehörden, denen der sexuelle Missbrauch oft seit Jahren bekannt ist, bereits früher zur Anzeige schreiten und nicht erst dann, wenn es bereits zu erheblichen Verletzungen gekommen ist.`` Genau das ist unser Anliegen. Im Mittelpunkt unserer Betrachtung steht das Wohl des Kindes, nicht die größtmögliche Schonung des Täters.

Mit freundlichen Grüßen
Ihr

Wolfgang Bosbach

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