Schatten über der Gartenvorstadt
Seit Dieter G. in Unna lebt, haben Eltern Angst um ihre Kinder: Er bezeichnet sich als pädophil
von Annette Westhoff
Wenn der 49jährige Dieter G. auf seinem Balkon im vierten Stock eines Hochhauses sitzt, guckt er ins Grüne. Manchmal spielen die Jungen aus der Nachbarschaft auf dem Rasen-Stück hinterm Haus Fußball, ein paar Meter weit rechts liegt ein gern besuchter Spielplatz mit Rutsche. Die Gartenvorstadt in Unna ist eine Siedlung, in der viele Familien mit Kindern wohnen.
Emma A. wohnt im selben Hochhaus wie Dieter G., im siebten Stock. Sie versteht nicht, daß Eltern ihre Kinder noch hinter dem Haus spielen lassen: "Die wissen doch, was das für einer ist." Aber ansonsten hält sich die 79jährige raus. Ihre Kinder sind schon längst erwachsen.
Dieter G. hingegen versteht nicht, warum jemand seine Kinder vor ihm verstecken sollte. Der ehemalige Polizeimeister ist, so sagt er selbst, gegen Gewalt gegen Kinder. Denn er liebe Kinder, besonders Jungen. Er nennt sich pädophil - und verkündet das seit Jahren im Internet und in Gesprächen. Sexualität zwischen Kindern und Erwachsenen ist nach seiner Meinung möglich.
Für den Familientherapeuten Frank Zimmer vom Kinderschutzbund Unna spricht allein diese Einstellung eine klare Sprache: "Damit outet sich Dieter G. als untherapierbar." Er sehe nicht ein, daß er Kinder nur zur Befriedigung seiner Triebe benutzen wolle. Er blende die Tatsache aus, daß Kinder nicht überblicken können, was Sex mit einem Erwachsenen für sie bedeuten würde.
Seit die Menschen in der Gartenvorstadt von Dieter G. wissen, hat sich das Klima der Straße verändert. "Eltern hatten plötzlich Angst, ihre Kinder auf die Straße zu schicken", sagt Frank Zimmer. Eine besorgte Mutter organisierte vor vier Wochen eine Demonstration. Dieter G. bekam Polizeischutz, die Demonstration verlief friedlich.
Selbst Dieter G. gibt zu, daß er schon Schlimmeres erlebt habe. Etwa in Hamburg, wo er eine Zeitlang lebte. Da kamen Molotowcocktails gegen ihn zum Einsatz. In Unna fordern die örtlichen Behörden die Bevölkerung auf, Ruhe zu bewahren. Bürgermeister Werner Kolter möchte, daß mit dem Thema "behutsam umgegangen wird". Die Situation solle bloß nicht eskalieren.
Ähnlich äußert sich auch Kriminalhauptkommissar Hans Schneider vom Kommissariat Vorbeugung: "Bislang ist Dieter G. hier nicht auffällig geworden", sagt er. Im Bürgerzentrum hat der örtliche Kinderschutzbund gemeinsam mit der Dienststelle eine Informationsveranstaltung durchgeführt. Rund 70 Mütter kamen. Die Hotline am nächsten Tag wurde stark genutzt. Seitdem ist es wieder ruhiger geworden.
Dieter G. findet gut, daß es solche Info-Veranstaltungen gebe. Gegen sachliche Aufklärung zum Thema Pädophilie habe er nichts. Er selbst sah sich bis vor kurzem noch als einen Streiter für die Rechte von Pädophilen und setzte sich im Internet für die Legalisierung pädophiler Beziehungen ein. Der Arbeitslose vergleicht die Stellung der Pädophilen gern mit denen der Homosexuellen während der NS-Zeit. Ja, er werde verfolgt, mußte von Trier nach Hamburg ziehen und von dort nach Unna. Überall formierte sich Widerstand gegen ihn, nirgendwo bekomme er eine Arbeit. Und jetzt kündigte ihm auch der Vermieter in Unna - fristlos zum 30. September und fristgerecht zum Jahresende. Selbst von anderen Pädophilen habe er keinen Rückhalt bekommen. Deshalb will er sich nicht mehr für sie einsetzen. Dieter G. sieht sich als Opfer.
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