nachtrag

Bloß nicht diskutieren?

Selbstverständlich gibt es sie noch: Tabus, an denen nicht gerührt wird; bei denen selbst ein aufklärerisch bestimmtes Streben nach Erkenntnisgewinn heftige Reaktionen und Abwehr hervorruft. An ein solches Tabu rührte unsere Autorin Cornelia Kurth, als sie im taz.mag vom 6. Juli unter dem Titel "Mein lieber Junge" nicht nur über ein Gespräch mit einem pädophil empfindenden älteren Mann schrieb, sondern auch ihre langsam schwindenden inneren Widerstände hierbei protokollierte. Ein Schritt über eine unsichtbare Grenze, wie Leser Christian P. Oehmichen, Student der Ethnologie, findet: "Wo - und das wird jeder Kritiker Frau Kurth fragen - soll das hinführen, wenn wir es uns erlauben, solche Gedanken zu äußern? Nun, wenn die Triebkraft Sexualität als solche die Überschreitung und das In-Frage-Stellen von gesellschaftlichen Tabus mit einer derartigen Brisanz legitimiert, so muss dann in logischer Konsequenz auch jedwede andere menschliche Triebkraft einen Tabubruch in einem anderen Zusammenhang legitimieren dürfen. Ergo, um konkret zu werden, könnten wir dann auch das Verbot der Tötung abschaffen! Ich halte es immer noch für möglich, dass dieser Artikel lediglich als Provokation zu einem Diskurs verstanden werden kann. Ich befürchte aber ganz pessimistisch, dass er sehr wohl ernst gemeint ist." Wir finden: Je ernster ein Diskurs geführt wird, desto besser!

Seite VIII

taz Magazin Nr. 6805 vom 20.7.2002 Seite VIII 33 Zeilen a0310
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