Mögliche Folgeerscheinungen des sexuellen Missbrauchs :
Abhängigkeits-Erkrankungen | Angst-Störungen |
Asthma | Autismus |
Selbstverletzendes Verhalten | Beziehungs-Störungen |
Delinquenz | Depressionen |
narzißtische Persönlichkeitsstörung | Borderline Störung |
dissoziative Persönlichkeitsstörungen | Epilepsie |
Eß-Störungen | Gewalttätigkeit |
Lähmungen | Migräne |
Ohnmachtsanfälle | Phobien |
Promiskuität | Prostitution |
psychogene Amnesien | psychosomatische Blutungen |
Sadomasochismus | Schlaf - Störungen |
Sexual-Störungen | Sexualisieren |
sexuell aggressives Verhalten | Sprach – Störungen |
Störungen im Hygiene - Verhalten | Suizidialität |
Zwänge | Hospitalismus |
Selbstverletzendes Verhalten beruht aber weder auf einen Zerstörungsversuch noch auf Aggression. Der Begriff beschreibt einfach ein Verhalten, das eine physische Verletzung des eigenen Körpers schafft. Die Schädigungen umfassen alle Verletzungsgrade, können durchaus lebensgefährlich sein. Wir unterscheiden ein reaktives selbstverletzendes Verhalten, das im direkten Bezug zu Umweltereignissen steht ( z.B. aus Protest, Weigerung, Provokation ) und ein automatisiertes selbstverletzendes Verhalten, das offenbar unabhängig von äußeren Einflüssen ist, sondern durch innere Ereignisse ausgelöst wird. Selbstverletzungen können z.B. ein komplexer Versuch sein, mit Trauma- Erfahrungen umzugehen. Das Verhalten ist dann der neurobiologischen Ebene zuzuordnen und hat eine steuernde und regulierende Funktion, ist für den betroffenen Menschen allerdings nicht mehr wirklich kontrollierbar. Die Umwelt verwechselt leider SSV allzu häufig mit Suizidversuchen, dabei ist es genau das Gegenteil, nämlich ein Versuch zu überleben , die emotionale Pein nach außen zu transportieren um dort die Kontrolle darüber zu erlangen. Viele Beweggründe können sich hinter einem solchen Verhalten verbergen. Nicht selten stellen die selbst zugefügten Verletzungen eine Art Wiederholung dar, Menschen verletzen sich in derselben weise , wie sie als Kind verletzt wurden, auch wenn sie sich möglicherweise daran gar nicht bewusst erinnern. Diese Wiederholung ist eine Möglichkeit der unbewussten Mitteilung gespeicherter traumatischer Erlebnisse. SSV gibt manchen, deren Seele gemordet wurde, die Möglichkeit, sich des Lebens zu vergewissern. „Ich blute, also lebe ich “. SSV kann bei Menschen mit dissoziativen Störungen den Zugang zu einem anderen Persönlichkeitsanteil erleichtern, der gerade über mehr Reserven verfügt oder auch, um sich stärker mit der Gegenwart zu verhaften. Opfer von rituellem Missbrauch wurden häufig auf SSV programmiert, so schützen sich die Täter! Heilung kann nur geschehen, wenn nichtschädigende Alternativen zur Überlebensstrategie des SSV gefunden werden und neue Wege, wie sich ein Sicherheitsgefühl herstellen lässt. Häufig entwickeln sich neue Möglichkeiten, wenn der mutige Blick auf die Wunden und die Gefühle der Vergangenheit gerichtet wird und diese alten Wunden heilen können, wenn der Umgang mit Gefühlen erprobt wird und nicht mehr sinnlos versucht wird, Bedürfnisse der Vergangenheit, sondern die der Gegenwart zu erfüllen. Klingt fast einfach – ist es aber natürlich ganz und gar nicht. Wer lässt schon einen rettenden Strohhalm los, wenn nichts anderes greifbar ist? Aber, es ist zu schaffen, sich ein sicheres Floß zu bauen und den Strohhalm des selbstverletzenden Verhaltens überflüssig werden zu lassen! Jede Wunde auf meiner Haut soll zeigen, wie ich innerlich blute - Einschneidender Anblick einer gelebten Verletzung. Qual, Hass, Aufschrei - Die Seele braucht Luft, die ich mir auf diese grausame Weise verschaffe. Fließt das erste Blut, kann ich freier atmen. So sehe ich zu, wie meine Hand eine Spur nach der anderen in meine Haut schneidet - ohne Schmerz. Erst viele Jahre später beginne ich zu realisieren, dass meine Einschnitte die Falsche getroffen haben ... So bleibe ich mein Leben lang gezeichnet. Hoffentlich kann ich mir eines Tages selbst dafür verzeihen ... Körper – Museum Und wieder ist es mal soweit : Ein neuer Schnitt auf meiner Haut, gefolgt von vielen, vielen anderen. Wie eine „Künsterin“ erschaffe ich mir eine andere, eine „gezeichnete“ Ansicht meines Körpers. Ewiges Mahnmal für knallhart erlebte und durchlittene Geschichte. Meinen Körper tätowiere ich mir selbst damit, rot sind die Striemen auf meiner Haut nach erfolgtem Tun. Wunden klaffen auseinander, wie auch die Wunden meiner Seele gestillt werden wollen. Noch immer denke ich im Augenblick des Schneidens nur an die Gegenwart in der die Vergangenheit sich doch so unerbittlich hier entlädt. Doch Irgendwann, da werde ich beginnen, in Dimensionen der Zukunft zu denken, und dann werden sie für alle Ewigkeit Zeugnis ablegen, die Narben meines Tuns. Ein grausames Spiel - Noch immer - wie ich denke, viel zu harmlos als Ausdruck all des schrecklichen Erlebens - Und doch: Eine grausame und ungerechte Justiz, denn wieder trifft es mich !! (Deborah Kalim) |
Die narzißtische Persönlichkeitsstörung
|
Dissoziation als Überlebenschance
Dissoziative Störungen gehören zu den posttraumatischen Stress-Reaktionen,
äußern sich als Störungen der Identität, des Gedächtnisses oder Bewusstseins.
Der Umwelt, sogar dem betroffenen Menschen selbst bleibt nicht selten der Wechsel der Persönlichkeitsanteile „Switch“ zunächst relativ verborgen, wird allenfalls als sonderbares Verhalten abgetan. Doch, was es bedeutet, sich nicht allein in seinem Körper zu fühlen, mit all diesen Störungen verschiedene Leben leben zu müssen, verschiedene Unterschriften zu haben, verschiedene Freunde, unbekannte Kleidungsstücke im Schrank zu finden, sich in einem Zeitloch zu verlieren, Menschen nicht zu erkennen, Stimmen zu hören, ständig zu schauspielern, immer nur Angst zu haben, sich selbst für verrückt zu halten, können nichtbetroffene Menschen kaum ahnen. Der Weg von den ersten eigenen Vermutungen bis zur Erkenntnis und Akzeptanz der Störung ist weit und der Schock oft riesengroß. Multiple haben verständlicherweise einen enormen Leidensdruck, können sich unmöglich alleine wirklich helfen, auch wenn sie sich durchaus vielleicht nach einer Weile schon einiger „Innen-Personen“ bewusst geworden sind, ein wenig Ordnung in das Chaos gebracht haben. Doch es ist so, als wohnen viele ganz verschiedene Menschen zusammen in einem Haus – z.b. Babys, Kleinkinder, Teenager, erwachsene Frauen und Männer, liebe, sanfte, aber auch aggressive, bösartige Personen.... Jeder hat sein eigenes Zimmer,einige tief unten im Keller und vollkommen abgeschlossen, andere offen oder mit Durchgang. Manche Bewohner kennen sich, manche nicht. Einige mögen sich, unterstützen sich, andere verachten sich, lehnen sich ab, hassen und bekämpfen sich. Es gibt nur eine einzige große Tür in diesem Haus, alle wollen dort hinaus, um an der Außenwelt Anteil zu nehmen, aber das kann immer nur einer. Was da innen im Haus los ist, können wir uns so beinahe denken ... Multiple Menschen brauchen unbedingt fachliche Hilfe. Eine Therapie ist möglich, auch wenn multiple Betroffene anders behandelt werden müssen als solche mit einer intergrierten Identität. Vieles kann eine solche Therapie enorm erschweren, besonders alte Programmierungen, die Betroffene wie unter Hypnose handeln lassen oder noch bestehende Täterkontakte. Eine erfolgreiche Therapie ist nicht erreicht, wenn eine Person nicht mehr multipel ist. Heilung bedeutet nicht einmal unbedingt das Zusammenfügen der einzelnen Persönlichkeitsanteile zu einer Gesamtpersönlichkeit, sondern es sollte in erster Linie um die Heilung der alten Wunden gehen, die durch das vorsichtige nochmalige und kontrollierte Durchleben und Bearbeiten der erlittenen Gewalt geschehen kann, der das Erlernen neuer, gesunder Verhaltensweisen folgt. Das kann durchaus auch der Aufbau und die Kooperation der einzelnen inneren Anteile sein. Zunächst geht es nämlich darum, ein sogenanntes Co-Bewußtsein zu erlangen, wobei ganz wichtig ist, dass kein Anteil mehr abgespalten oder abgelehnt wird und es nicht mehr zu Erinnerungslöchern und Zeitverlust (Filmriß) kommt, d.h. dass die amnestischen Barrieren abgetragen werden, alle Anteile Zugang zueinander haben. Eine Verbindung oder sogar Verschmelzung der einzelnen Anteile kann dann durchaus ein weiterer Schritt sein oder sich sogar als Folge von alleine entwickeln, muß es allerdings nicht und ist auch gar nicht immer von den Betroffenen erwünscht, die oft große Angst haben, liebgewonnene Anteile „sterben „ zu lassen. Auf unserem Themen-Forum hatten wir vor einigen Monaten auf Wunsch der Betroffenen „Multiple Persönlichkeitsstörungen“ zum Thema gemacht. Diplom-Psychologin Michaela Huber, die sich seit vielen Jahren auf die Behandlung schwer traumatisierter Frauen spezialisiert hat, zu denen eben auch multiple Persönlichkeiten zählen, hatte sich zu unserer großen Freude bereiterklärt, Fragen zu beantworten und damit sicherlich so manch vollkommen falsche Einschätzung dieser Störung ausräumen können. Ich selbst habe bereits einige multiple Menschen kennengelernt und von ihnen konnte ich am besten lernen. Sie haben mir die Berührungsangst vor dieser Störung genommen. Sie haben mir erzählt, wie es sich innen anfühlt, haben mir ihre verschiedenen Personen (durchaus auch die aggressiven !!) und deren Eigenarten vorgestellt und mir gesagt, wie ich mich bei einem Switch verhalten und wie ich ihnen aus einer Trigger-Situation heraushelfen kann. Ich war stolz über das große Vertrauen und immer tief berührt und voller Bewunderung und Hochachtung für diese unglaublich starken Menschen und ihre Art zu überleben. Dagmar Minor, Schotterblume Buchempfehlungen: Michaela Huber „Multiple Persönlichkeiten“ Sabine Marya „Schmetterlingsfrauen“ Peter Fiedler „Dissoziative Störungen und Konversion“ Walburga Temminghoff „Eine–Sein. Viele-Sein! Eine-Werden?" Alle zu bestellen im: Donna-Vita-Verlag Kaiserstr. 139 – 141 53113 Bonn Tel.: 0228 - 28 91 200 Fax.: 0228 - 28 91 202 Mail: mail@donnavita.de www.donnavita.de Weiterer Hinweis : VIELFALT e.V. Verein zur Aufklärung über Dissoziation als Überlebensmuster Postfach 10 06 02 28006 Bremen |
„--- Es ist zum Kotzen“ ---- „Der Bissen bleibt mir im Hals stecken „ ----- ----„Ich schlucke meine Wut hinunter“ ---- „Das schlägt mir auf den Magen „ ---- „Ich fresse alles in mich hinein“ ----- ---- „ Nun spuck’s schon aus „ -----„Ich hatte einen dicken Brocken zu schlucken „ ---- „Es liegt mir wie ein Stein im Magen „ ----„Ich habe mich selbst zerfleischt“----- -----„Ich muß mich durchbeißen“------ Hier aber geht es um die psychogenen, also die seelisch bedingten Eßstörungen. Diese Störung des Eßverhaltens ist demnach keine schlechte Angewohnheit, die sich abtrainieren lässt, sondern eine eine weitverbreitete psychosomatische Erkrankung, eine Sucht, die dennoch bisher keinesfalls ausreichend behandelt und beachtet wird. Ohne ärztliche Hilfe ist eine Heilung aber kaum möglich. Wir unterscheiden drei verschiedene Krankheitsbilder, alle haben allerdings eines gemeinsam : „Alles dreht sich ums Essen“ Die Magersucht (Anorexia nervosa)„Das einzige, was ich in meinem Leben beherrsche ist das Hungern“ist gekennzeichnet durch deutliches, selbst herbeigeführtes Untergewicht und anhaltendes Streben nach Dünn-Sein. Es werden dazu ganz gezielt oft gravierende, gewichtsreduzierende Maßnahmen eingesetzt wie: Hungern, Erbrechen, Abführen, übertriebene körperliche Aktivitäten oder Medikamente. Trotz des nicht selten lebensgefährlichen Untergewichts fühlen sich diese Menschen dennoch oft noch zu dick. Sie leugnen beharrlich und überzeugt den Schweregrad ihres geringen Gewichts, denn Menschen mit Eßstörungen besitzen in der Regel ein verzerrtes, negativ gefärbtes Körperbild, unklare Körperwahrnehmung verbunden mit mangelndem Identitätsgefühl. Als Folge des Untergewichts kommt es zu einer Vielzahl von Veränderungen im Verhalten, Denken und Fühlen der betroffenen Menschen, auch körperliche Folgeerscheinungen bleiben aufgrund der Mangelernährung natürlich nicht aus. Gedanken über das Essen nehmen ein riesiges Ausmaß an, bestehen sozusagen permanent. Hunger wird allerdings geleugnet oder uminterpretiert. Eine Behandlung wird meist strikt abgelehnt, zu groß ist die Angst vor einer Gewichtszunahme. Magersüchtige sind süchtig nach dem Gefühl des Hungers und wie bei jeder Sucht wird auch hier die Dosis ständig erhöht. In dieser entstehenden Notsituation produziert der Körper Endorphine, die den magersüchtigen Menschen in eine Art Rauschzustand versetzen und ihn keine Gefahr spüren lassen. Der Satz: „Iß doch einfach was“ ist natürlich keine Hilfe. Die Magersucht ist lebensgefährlich. Die Sterblichkeitsrate liegt bei 20%. Ein NEIN zum Essen ist in der Regel ein NEIN zur Körperlichkeit, zur Sexualität, zur Triebhaftigkeit. Meist fehlt magersüchtigen Frauen die Menstruation, fast immer haben sie zumindest Probleme in diesem Bereich. Magersüchtige gehen extrem selbstzerstörerisch mit sich um. Der Körper wird fast immer als gierig und bedürftig erlebt, und das muß bekämpft werden.. Hungern wird als Sieg über den Körper erlebt. Wer Essen verweigert, erhält aber auch noch eine andere Art von „Macht“, nämlich über die diejenigen, die in verzweifelter Angst glauben, den magersüchtigen Menschen zum Überleben und zum essen bewegen zu müssen. Suche nach Zuwendung auf Umwegen! Die Eß-Brech-Sucht (Bulimia nervosa)„Ich find mein Leben zum Kotzen“Bei den meist schlanken und durchaus normalgewichtigen betroffenen Menschen kreisen die Gedanken ebenfalls immerfort um das Essen, die Figur und die krankhafte Furcht zuzunehmen. Ständig wird das Gewicht kontrolliert. Die Bulimie zeigt sich allerdings in Form eines Wechsels von äußerst gezügeltem und reduziertem Eßverhalten einerseits und Heißhunger-Attacken andererseits. Große Nahrungsmengen werden in kurzer Zeit - zumeist heimlich - regelrecht verschlungen, mehrmals wöchentlich, nicht selten mehrmals täglich. (Bis zu 30 000 Kalorien pro Anfall !!! ) Menschen mit dieser Eßstörung nehmen allerdings dann eine Art "Korrektur" des Schuldgefühls und des dickmachenden Effekts vor, z.b. durch gezieltes Erbrechen, Hungerperioden, Abführmittel oder Appetitzügler. Diese drastische Reduzierung wiederum führt zu einem körperlichen Mangelzustand, durch den Hunger- und Sättigungsgefühl nicht mehr zuverlässig wahrgenommen werden können. Außerdem provoziert der Mangelzustand dann wieder Heißhunger-Attacken, die als erneute "Eßanfälle" in Kontrollverlust münden, denn die Kontrolle über die Nahrungsaufnahme wird dabei verloren. Ein Teufelskreis! Ständig zerrissen zwischen Gier und Askese, zwischen Heißhunger nach Liebe und der Angst vor der selben. Es werden alle möglichen Tricks gefunden, um die Umwelt über die Eßgewohnheiten zu täuschen. Das heimtückische an dieser Krankheit ist, dass die Folgen im Gegensatz zu der Mager – oder der Fettsucht, in der Regel nicht sichtbar sind. Diese Erkrankung ist besonders schambesetzt und wird fast immer lange verheimlicht. Im Zusammenhang mit Bulimie treten deshalb auch häufig Depressive Zustände, Selbstverletzendes Verhalten, Suizidversuche und Drogenmissbrauch auf. Über viele Jahre hinweg galten die Magersucht und die Eß-Brech-Sucht als reine Frauenkrankheiten, inzwischen ist bekannt, dass durchaus auch Männer an diesen Störungen leiden. Die Fettsucht (Adipositas)„Nur wenn ich esse, merke ich, dass ich lebe!“wird definiert als eine über das Normalmaß hinausgehende Vermehrung des Körperfetts. Die Menschen fühlen sich dem Drang nach Essen gegenüber machtlos, fühlen sich unfähig, ihr Essen zu kontrollieren. Es kommt durchaus zu regelrechten "Eß-Anfällen". Wenn aber keine Befriedigung des Drangs erfolgt, entstehen starken innern Spannungen, die sich durch Ungeduld, Reizbarkeit, Aufregung oder Aggression äußern können. Auslöser dieses Eßverhaltens ist fast immer die eigene Gefühlslage. Essen wird eingesetzt um unangenehme Gefühle zu verändern oder zu verdrängen. Eßüchtige essen z.b. aus Kummer, Trauer, Einsamkeit, Ärger, Trotz, Wut ... Essen wird als Suchtmittel zur Gefühlmanipulation eingesetzt. Es ist eine Art Versuch, Lebens- und Liebeshunger zu stillen, oft schon früh in der Kindheit so gelernt! Dieser Hunger bleibt aber unstillbar, da innere Leere nicht mit Nahrung aufgefüllt werden kann. Ein voller Bauch erfüllt nicht, er macht nur dick. Auf den natürlichen Mechanismus von Hunger und Sättigung als Maß für die richtige Essensmenge können sich diese Menschen bald nicht mehr verlassen. Essen befriedigt ja auch nur sehr kurzzeitig. Dann muß wieder gegessen und die Dosis erhöht werden, Übergewicht und Frust werden größer und dadurch entstehen in der Regel große Schuld- und Versagensgefühle. Zudem werden die Menschen häufig gehänselt, verspottet, verletzt und die Schamgefühle wachsen ständig weiter. Bei den genannten Eßstörungen kann es durchaus auch verschiedene Unter-und Mischformen geben, sogenannte atypische Eßstörungen. Bei einem Seminar hörte ich z.b. erstmals von der „Binge-Eating-Störung“. Damit werden unkontrollierte Essanfälle OHNE Gegenregulation verstanden. Mögliche somatische und psychosomatische Auswirkungen von Eßstörungen:SchmerzzuständeKonzentrationsstörungen Schlafstörunge n Herz/Kreislaufstörungen Schweißausbrüche Infektionen der Atemwege Gelenkschmerzen Hormon/Menstruationssörungen Haarausfall Verstopfung/Durchfall Gestörter Elektrolythaushalt Schädigung/ Verfall der Zähne Speiseröhrenverätzung Speicheldrüsenvergrößerung Schwellung der Lumphknoten Muskelkrämpfe Lähmungserscheinungen Schädigung des Nervensystems Magenkrebs Nierenversagen Emotionale ReaktionenÄngsteZwänge (Waschzwang, Kontrollzwang usw.) Phobien Psychosen Regressives Verhalten Vereinsamung Beziehungsstörungen Aggressionen Depressionen Selbstverletzendes Verhalten Wahrnehmungsstörungen Diese massiven Störungen des Eßverhaltens sollten auf jeden Fall als Bewältigungsstrategie tiefgehender Probleme gewürdigt werden. Hinter jeder Eßstörungssymptomatik verbirgt sich eine individuelle Leidensgeschichte und sie ist Ausdruck eines inneren Konfliktes, fast immer basierend auf familiäre Faktoren wie Mangel an Grenzen, Grenzverletzungen, großer Leistungsdruck (Liebe für Leistung), abverlangter Perfektionismus, miterlebte Elternkonflikte, Ablehnung von Gefühlen usw. Viele betroffene Menschen haben über Jahre hinweg Gefühle wie Trauer, Wut und Verletzheit unterdrückt. Gefühle zeigen ist oft gleichbedeutend mit Schwachsein und sich ausliefern. Eßgestörte Menschen haben es nicht gelernt, ihre Gefühle auszudrücken und für ihre Bedürfnisse einzutreten, besonders, dafür die Auseinandersetzung mit wichtigen Bezugspersonen aufzunehmen. Das Essen wird als "Ersatz" eingesetzt, als Ersatz für so vieles .... Das Denken, Fühlen und Handeln eßgestörter Menschen ist vorwiegend durch das Eßproblem bestimmt, sie versuchen durch Essen Spannungen auzugleichen, ein scheinbares Gleichgewicht herzustellen. In diesem Zusammenhang steht bei vielen Bulimie/Anorexie-Pateienten/innen auch das Schwanken zwischen einer völlig überzogenen Kontroll-Illusion und dem Gefühl absoluter Hilflosigkeit eine große Rolle. Als weitere Denkstörungen fallen insbesondere Übertreibungen, irrationale Überzeugungen (z.b."Ich kann durch Hungern Schuld abbauen") und abergläubisches Denken auf. Eßgestörte Menschen haben erschreckend häufig in ihrer Kindheit sexuelle Grenzüberschreitungen erfahren und ich kann aus meiner Erfahrung heraus sogar sagen, dass ich persönlich keinen einzigen Menschen mit einer Missbrauchserfahrung kenne, der kein Eßproblem hat. Ich habe vor einigen Monaten einen Besuch in einer psychosomatischen Klinik gemacht und mit vier Patientinnen in einem Zimmer gesprochen, alle vier litten an Magersucht, alle vier waren in der Kindheit sexuell missbraucht worden! Eine von ihnen sagte einen Satz, den ich nicht mehr vergesse: "In mich steckt niemand mehr etwas rein, was ich nicht will". Und sie sagte mir weiter "Die Kontrolle über mein Essen ist die einzige Macht, die ich habe". Sie vertraute mir auch mit einem diebischem Grinsen im Gesicht an, wie sie die ganzen Schwestern und Ärzte morgens beim Wiegen austrickst .... Das in diesem Falle auch der mittlerweile fünfte Klinikaufenthalt keine Änderung gebracht hat, wundert wohl niemanden. Aber deutlicher kann wohl nicht klar werden: eine Auseinandersetzung mit der erlebten Gewalt ist unbedingt notwendig, um das Trauma und die damit verbundene Überlebensstrategie, wie in diesem Falle die Eßstörung, zu heilen. Einige Fachkliniken bieten eigene Indikativgruppen für eßgestörte Menschen mit sexuellen Missbrauchserfahrungen an. Es handelt sich bei dieser Therapie um einen Prozeß, der meist nach der stationären Zeit ambulant weitergeführt werden sollte, denn er ist nur ein Glied in einer Behandlungskette. Wunder sollten von einem Klinikaufenthalt nicht erwartet werden, denn die dauern auch hier etwas länger .... Es ist deshalb sinnvoll, bereits vorher Kontakt zu Selbsthilfegruppen, Ärzten, Nachsorgetherapeuten oder psychosozialen Diensten aufzunehmen, auf die nach der Rückkehr aus der Klinik zurückgegriffen werden kann. Was geschieht bei einer stationären Therapie?Aufgaben und Ziele der Therapie:Die Patienten/innen arbeiten als Partner des Therapeutischen Teams an ihrem eigenen Gesundungs- und Heilungsprozeß und die aktive, selbstverantwortliche Mitarbeit ist dabei unerlässlich. Die Arbeit soll dabei symptombezogen sein, denn alle Einsichten und Absichten bleiben ergebnislos, solange der süchtige und zwanghafte Teufelskreis beim Eßverhalten nicht durchbrochen wird! Die Therapie beschäftigt sich darüber hinaus selbstverständlich mit den zugrundeliegenden Lebensumständen, Konflikten, Verletzungen, Zwängen und Ängsten. Wie gesagt, ist das Denken, Fühlen und Handeln der eßgestörten Menschen vorwiegend durch das Eßproblem bestimmt. Gemeinsam wird deshalb eine körperliche und seelische Stabilisierung angestrebt, die es künftig möglich macht, ein gesundes, gesellschaftlich integriertes Leben in Eigenverantwortung führen zu können. Hört sich gut an, ich weiß, aber wie geht das? Elemente verschiedener Therapieformen, wie: Medizinische Betreuung Gruppentherapie Einzelgespräche Familientherapie und evl. Angehörigenseminare Körper-und Bewegungstherapie Gestaltungstherapie Trainings-und Bewegungsprogramm Physiotherapie Ernährungstherapie-und beratung Nachsorge- und Selbsthilfetraining werden aufeinander abgestimmt. Die Therapien finden vorwiegend in Gruppen statt, denn die Gruppenzugehörigkeit stellt ein wichtiges Sozialisierungsprinzip dar, natürlich kommen aber auch Einzelgespäche dazu. Zunächst geht es darum, die Krankheit als solche zu akzeptieren und sich voll und ganz auf die Behandlung einzulassen. Es folgt die Aufarbeitung, die Auseinandersetzung der Lebens- und Krankheitsgeschichte in der Verknüpfung mit der Entstehung des Eßproblems. Erst die tiefgreifende Selbsterfahrung und Selbsterkenntnis ermöglicht es, alte und krankmachende Verhaltens- und Denkmuster aufzugeben und neue, realistische auszuprobieren. Unerlässlich ist es,die Veränderung des gestörten Selbstbildes zu erreichen, damit das Selbstwertgefühl nicht mehr nur durch Gewicht und Aussehen bestimmt wird. Im Idealfall sind zum Zeitpunkt der Entlassung möglichst klar umrissene Therapieziele erreicht worden, Konzepte zur Bewältigung entwickelt worden und neue Zukunftsperspektiven entstanden. Buchtipps:Baeck, S.: Eßstörungen bei Kindern und Jugendlichen. Lambertus-Verlag Becker,K.: Die perfekte Frau und ihr Geheimnis. Rowolt-Verlag Bruch, H.: Der goldene Käfig. Fischer TB Gerlinghoff, Backmund: Magersucht und Bulimie verstehen und bewältigen. Beltz Gerlinghoff,Backmund,Mai: Magersucht und Bulimie. Beltz Göckel, R.: Eß-Sucht oder die Scheu vor dem Leben. Rowolt-Verlag Habermas, T.: Heisshunger. Fischer TB Johnston, A.: Die Frau, die im Mondlicht aß Köpp/Jacoby: Beschädigte Weiblichkeit. Asanger- Verlag Langsdorff,M.: Die heimliche Sucht, unheimlich zu essen. Fischer-Verlag Schmidt, Treasure: Die Bulimie besiegen Schulte,M.: Bulimie. Thieme-Verlag Treasure,J.: Gemeinsam die Magersucht besiegen Wardetzki,B.: Iss doch endlich mal normal! Kösel-Verlag Wirth,A.: Adipositas. Springer-Verlag Empfohlene Kliniken:Klinik am Korso Fachzentrum für gestörtes Eßverhalten Ostkorso 4 32545 Bad Oynhausen Tel.: 05731 / 181-0 Internet : www.klinik-am-korso.de E-mail : info@klinik-am-korso.de Psychosomatische Fachklinik Münchwies Turmstr. 50 - 58 66540 Neunkirchen /Saar Tel.: 06858 / 691-215 Parkland-Klinik Im Kreuzfeld 6 34537 Bad-Wildungen-Reinhardshausen Tel.: 05621 / 706-0 http://parkland-klinik.de E-mail: Parkland-Klinik@t-online.de Michael-Balint-Klinik Hermann-Volant-Str. 10 78126 Königsfeld /Schwarzwald Tel.: 07725 / 932-0 (Aufnahme ab 16 Jahre) Seepark-Klinik Sebastian-Kneipp-Str.1 29389 Bad Bodenteich Tel.: 05824 / 21-0 E-mail: info@seepark.mediclin.de |
Sind die frühkindlichen Lebenserfahrungen in erster Linie negativ geprägt, so entwickelt sich statt eines Urvertrauens ein Urmißtrauen gegenüber der sozialen Umwelt. Einen bedauerlichen Beweis für die verhängnisvollen Auswirkungen von Entwicklungsbedingungen, die weit von den optimalen Verhältnissen entfernt sind, liefern uns Säuglings- und Kinderheime. Das Fehlen einer Dauerbezugsperson mit allen seinen Konsequenzen führt zu einem breiten Spektrum an seelischen Störungen und Fehlentwicklungen, das als Hospitalismussyndrom in der Literatur bekannt geworden Ist. Permanente Mutterentbehrung bzw. fehlender ebenbürtiger Ersatz bewirkt in Extremfällen einen totalen physischen und psychischen Verfall (Marasmus): das "Greisenalter" wird schon im ersten Lebensjahrzehnt erreicht. Wenn es überhaupt bei ständig wechselnden Pflegepersonen zu Bindungen kommt, so sind diese meist von aggressions- und angstdurchsetztem Charakter. Sozialkontakt wird aufgrund vieler negativer Erfahrungen (Disziplinierungsmaßnahmen etc.) als bedrohlich empfunden. Hospitalismus muß allerdings nicht zwangsläufig nur in Institutionen vorkommen, sondern wurde auch in Ursprungsfamilien von Kindern festgestellt, vor allem bei überforderten und ablehnenden Müttern und Trennung von der Mutter. Sämtliche Untersuchungen auf dem Gebiet der Kindheitsforschung stellten zwei Hauptursachen für Hospitalismus heraus:
Es gibt drei verschiedene Arten der Muttertrennung:
Eine besonders tiefe Schädigung entsteht bei einer guten Mutter- Kind- Beziehung, da der Wegfall einer deprivierenden und mangelhaften Beziehung nicht als irreperabler Verlust empfunden wird und die Mutter positiv zu ersetzen ist. Unumstritten ist also, wie wichtig eine gesunde, harmonische und liebevolle Entwicklung eines Kindes in den ersten Lebensmonaten ist. Hospitalisierte Kinder aber bleiben in der Entwicklung stark zurück, sind häufig kaum fähig, zu sprechen oder zu laufen, haben große Angst vor unbelebten Gegenständen, sind ablehnend, aber durchaus auch überfreundlich zu allen ... Symptome des psychischen Hospitalismus
Eine gestörte Entwicklung beeinträchtigt einen Menschen sein ganzes Leben. Viele der so vernachlässigten Kinder zeigten auch Jahre später ein gehemmt- depressives Syndrom mit Symptomen wie Schlafstörungen, gehemmten Aggressionen und Aktivitäten, Sprachstörungen, Ängstlichkeit und Überangepaßtheit gegenüber Autoritätspersonen. Die langfristigen Auswirkungenzeigen sich ganz deutlich im Bindungsverhalten deprivierter Menschen. Sehr oft sind sie als Erwachsene entweder abhängig von einer meist älteren Bindungsperson und verfallen in Depressionen, wenn diese Person sie verläßt oder stirbt. Aber auch extreme Bindung- und Beziehungsangst und Gefühlsarmut sind zu beobachten. Weiterhin haben die erwachsenen Menschen übermäßig hohe Ansprüchen in Sachen Geld, Liebe, Essen. Sie sind nicht in der Lage, Rückschläge hinzunehmen und müssen stets aktiv sein. Triebverzicht zugunsten eines Funktionierens des menschlichen Zusammenlebens wird nicht als lohnend empfunden, da soziale Integration und Geborgenheit nie erfahren wurden. Kompensatorische Bedürfnisbefriedigung wird zur Regel. Es wird meist versucht, mangelnde oder gänzlich fehlende emotionale Zuwendung und soziale Bestätigung durch materiellen Konsum auszugleichen. Aus der frühen emotionalen Unterernährung resultiert die Unfähigkeit, angemessene soziale Beziehungen auszubilden und am sozialen Austausch teilzunehmen. Der Weg in die normale menschliche Gemeinschaft ist oft verschlossen. Symptome des Hospitalismus bei Erwachsenen
Die Bindungsfähigkeit ist durch viele schlimme Erfahrungen so gravierend gestört, daß logischerweise auch sehr schwer eine Beziehung zu einem Therapeuten aufgebaut werden kann. Aufarbeitung des Traumas und Heilung ohne einfühlsame fachliche Begleitung ist dennoch kaum möglich , deshalb wünsche ich allen Betroffenen Mut, diesen Schritt, trotz all ihrer Ängste zu wagen! |
© 1999-2001 „Schotterblume“e.V. - Windener Straße 38 - 56377 Nassau-Lahn