Berlin bi-bunt

(article on the first bisexual truck on the Berlin Gay Pride Parade on Christopher Street Day 1997, June 28th)

1996 habe ich mich ihm noch nicht anschließen wollen, dem bisexuellen Häufchen auf der Berliner CSD-Demo. Um deswegen nicht als Heimlichtuer mißverstanden zu werden, habe ich mich in großen Lettern als bisexuelle Schlampe kenntlich gemacht und bin lieber mit meiner Familie um die Subversiv-Boxen herumgetanzt. Im Laufe des folgenden Jahres habe ich mich so sehr aus meinem schwulen Biotop herauskatapultiert, daß ich dieses Jahr schon überlegte, ob ich auf dem CSD überhaupt noch was zu suchen habe. Da kam der rettende Anruf von Bettina: Die BiNe nimmt dieses Jahr mit einem eigenen Wagen an der Parade teil, Sabine hat ihn organisiert.

Und was für einen: einen unübersehbaren feuerwehrroten Fahrschullaster samt Anhänger, geschmückt mit Transparenten wie: "Kann denn Liebe Sünde sein?" und "Nach beiden Seiten offen", die Fahne "Bisexuelles Netzwerk" selbst vielleicht etwas zu unauffällig. Dazu Bonbons, eisgekühlten Sekt und nette Bisexuelle.

Der Wagen war überraschend weit vorne eingereiht als sechster in der Parade, anders als die Bisexualitätsregale in schwulen Buchläden wie Prinz Eisenherz oder Vrolijk.

Das einzige, was zur Perfektion noch fehlte, war tanzbare, einladende Musik auf dem BiNe-Wagen. Vor uns hämmerten zwar die Boxen des Connection, aber nachdem sich die kilometerlange Regenbogenfahne aus Hamburg dazwischengeschlängelt hatte, war davon nichts mehr zu hören, und wir wirkten wie in einem Stummfilm, was anfangs auch etwas die Stimmung drückte.

Anstatt zu meckern, daß die Bisexuellen viel zu normal und langweilig aussehen und dadurch bunteren Schwulen und Lesben die positive Identifikation erschweren, hatten wie selbst die Initiative ergriffen und unsere Haut nur spärlich mit Silber und Schwarz bedeckt, das Wetter erlaubte es.

Die Massen jubelten und nahmen dankend unsere Flugblätter. Der Sektverkauf wurde irgendwann eingestellt, um den Eigenbedarf zu decken, was dann auch in die üblichen Knutschorgien mündete. Es wurde rund um den Wagen getanzt. Vorweg stolzierten Patrice und Manuela wie ein Königspaar. Anders als wie man es von Automobilausstellungen gewohnt ist, hatten wir am Steuer eines Dreißigtonners eine resolute Frau und als halbnackte Kühlerfigur einen angeleinten Mann. So sind wir dann auch mindestens in die Berliner Abendschau gekommen.

Der erste bisexuelle Karnevalswagen war ein voller Erfolg.

Ein weiterer Meilenstein im Auftreten von Bisexuellen in Deutschland war eine Woche zuvor der BiNe-Stand auf dem lesbischwulen Motzstraßenfest gewesen. Zwar auch ohne Musik, Bildern oder Büchern, aber dafür mit umso mehr Flugblättern, Bonbons und aromatisierten Gleitcremeproben. Meine Freundin hat Hunderte von Bisco-Flyern verteilt, gewürzt mit freundlichem Gesicht, Komplimenten und anderen Süßigkeiten. Karin und Peter gingen sogar nachdrucken. (Leider hat das das Aussehen der Bisco im folgenden Monat nicht so verändert, daß sie mit dem Kitkat-Club als bestem bisexuellen Tanzvergnügen in Berlin konkurrieren könnte.) Am Stand beantworteten wir Fragen, bekamen auch als einer der wenigen frauenbewegten Stände Zulauf, nur wenige Gäste schüttelten verächtlich den Kopf und wollten mit Bisexualität nichts zu tun haben.

Alles in allem hat der BiNe-Vorstand in diesem Sommer mit genialen Aktionen die Sichtbarkeit Bisexueller als Teil der Homo-Bewegung gefördert. Ich hoffe, daß in Zukunft mehr Leute an uns denken, indem sie ,,schwule und bisexuelle Männer´´ oder ,,lesbische und bisexuelle Frauen´´ ansprechen.


Fotos: Peter Bell
Text: Roman Czyborra 1997-08-20 @ccafe00.ciberbraga.pt
erschienen in: bijou 13
HTML: $Date: 1999/02/20 09:38:32 $