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Liebe zu dritt (31.7.2002) - SIEGESSÄULE
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Liebe zu dritt

Die Zweierkiste ist verpönt. Symbiotisch, langweilig, einengend sind Attribute, die ihr anhängen. Offene Beziehung ist daher das Zauberwort und Zaubermittel, will man sich von den Vorwürfen der Biederkeit freihalten. Was aber, wenn aus der Affäre eine tiefere Beziehung wird? Und man gleichzeitig die länger währende Intimität nicht aufgeben will? Gibt es ein Modell, bei dem alle drei Beteiligten glücklich werden könnten?
Taugen Dreiecksbeziehungen als Alternative zur Zweierkiste? Können sie Verbindlichkeit und Freiheit vereinigen, wie es von der klassischen Paarbeziehung oft erwartet, aber nicht erfüllt wird? Und sind wir letztendlich überhaupt zu ihnen fähig, selbst wenn wir es unbedingt wollen – oder geben wir uns wieder nur einer weiteren Illusion hin?

>Text Andrea Roedig
>Fotos
Rainer Elstermann
>Models
Arthur, Alexej, Stephan

Drei. Eine magische Zahl? Drei Blutstropfen von Schneewittchens Mutter erscheinen im Schnee, drei Töchter hat König Lear, Dreieinig sind Gottvater, Sohn und Heiliger Geist. Drei Füße bringen einen Tisch zum Stehen, drei Ecken machen einen Hut, aus drei Größen lässt sich eine vierte gut bestimmen – und aller guten Dinge sind drei. Warum, wollen wir hier fragen, soll sich ein Paar nicht als drei denken lassen?

„Sex wird derweil ziemlich klein geschrieben“

Eins. Ein Bett haben Andreas, André und Günther. „Das sind für jeden 70 Zentimeter“, sagt Andreas, und 70 Zentimeter reichen ihm für seinen ruhigen Schlaf. Bloß ein Zufall, dass die drei Nachnamen auf dem goldenen Klingelschild mit demselben Buchstaben beginnen. In der riesigen Altbauwohnung, Berlin, zentrale Lage, sieht es nicht aus, als wohnten hier drei Menschen. Aufgeräumt ist es, nichts liegt herum, ein Raum mit alten Reiseführern und antiken Möbeln – Andrés Arbeitszimmer –, ein enormes Wohn- und Esszimmer, eine kleine Küche. Das Schlafzimmer sehe ich nicht. Dort liegt Günther, schon zu Bett gegangen.

Andreas, André und Günther sind 40, 43 und 42 Jahre alt, seit 20 Jahren währt die Beziehung zwischen André und Günther, seit zehn die Beziehung zwischen Günther, André und Andreas. „Ich bin schleichend hier eingezogen“, sagt Andreas, „ich kann mir gar nicht mehr vorstellen, anders zu wohnen.“ Damals vor zehn Jahren hatte er – über eine Anzeige – André kennen gelernt, seine erste schwule Beziehung. „Der wollte einen Freund nebenher. Ich war der Freund nebenher von André. Ich war fasziniert von dem Menschen, ich war total verzaubert.“ Das war im November. Zu Weihnachten lud André seinen Freund nebenher zu sich nach Hause ein. „Und dann“, sagt Andreas, „passierte etwas Komisches, dann haben Günther und ich uns ineinander verliebt.“ Nicht dass das einfach gewesen wäre, nicht dass das nur schön gewesen wäre. Jede offene Beziehung hat ihre Grenzen. „Ich war im Mittelpunkt, von beiden begehrt, aber die beiden kamen sich ins Gehege.“

Nichts aber würde André und Günther trennen. „Zu dem Zeitpunkt war es schon so, dass ich unheimlich traurig wurde, wenn die beiden alleine in Urlaub fuhren“, erinnert sich Andreas. Er fuhr hinterher. Die drei experimentierten, wackelig, hatten die Idee, eine Dreierbeziehung zu bilden, und verwarfen sie wieder, sie experimentierten im Bett. Sex zu dritt war schwierig, „einer lag immer daneben und hat sich vergessen gefühlt“. Also haben sie damit aufgehört, fanden den Weg, dass Andreas entweder mit dem einen oder mit dem anderen schlief, in dem gemeinsamen Bett. „Es ging schon sehr ins Heimliche hinein, wenn der Dritte daneben lag und schlief.“ Für Günther und André hatte Sex – auch vor Andreas – schon lange aufgehört.

Würde man die Beziehung als Entwicklungslinie zeichnen, so waren die ersten zwei Jahre unsicheres Experiment, „es wurde geguckt, für wen ich mich entscheide“; die beiden folgenden, als das Trio eine Art des Zusammenlebens gefunden hatte, „war eine Zeit in der es nur schön war“; und dann, nach dem vierten Jahr, trat die Gewöhnung ein. Die Aufgabenteilung ist klar, Andreas ist fürs Handwerkliche zuständig, André fürs Kochen, Günther bügelt und backt Torten.

„Sex“, sagt Andreas, „wird derweil hier ziemlich klein geschrieben. Das ist blöd, das ist schade, aber man kann es nicht erzwingen.“ Gegen Jahr fünf der Beziehung suchte Günther sich den einen oder anderen Liebhaber. „Es befriedigt ihn nicht. Eigentlich möchte er mit seinen beiden Partnern schlafen, aber das funktioniert nicht mehr. Er bekommt nicht, was er braucht.“

Im Bücherregal steht auffällig das Foto eines hübschen dunkelhäutigen Mannes mit nacktem Oberkörper. Das ist der Liebhaber von André aus Sri Lanka. Mit dem Andreas auch schon mal im Bett war. „Nicht dass du denkst, hier herrscht Sodom und Gomorrha“, sagt Andreas, „im Grunde führen wir ein fast biederes Leben.“

In letzter Zeit fahren Andreas, André und Günther nicht mehr so häufig gemeinsam in Urlaub. „Es wird immer weniger, aber es löst sich noch nicht auf. Ich beobachte mich: Wenn einer weg ist, vermisse ich den Dritten, und das ist doch ein gutes Zeichen.“ Sagt Andreas und: „Ich glaube, ich könnte in dieser Beziehung alt werden.“ Er weiß, dass das unsicher ist. Einer der drei ist seit 15 Jahren HIV-positiv, Anzeichen der Krankheit sind nicht auszumachen. Alles wirkt normal. Aber wenn die Beziehung auseinander geht – sei es aufgrund von Liebschaften, sei es aufgrund der Midlife Crisis, sei es aufgrund der Krankheit –, dann werden, meint Andreas, nicht zwei übrig bleiben. Wenn einer ginge, wäre das das Ende der ganzen Beziehung.

Andreas wirkt zufrieden, aber auch bedrückt. „Ich kriege immer einen verträumten Blick, wenn ich Männerpaare sehe, die Arm in Arm gehen. Ich denke manchmal, das sind intensivere Beziehungen.“ Er weiß, dass das ein Mythos ist. Oder nicht? Es gibt keine Vorbilder. Andere dauerhafte Dreiecksbeziehungen, außer seiner, kennt Andreas nicht, und er glaubt, dass das, was er da lebt, nur als schwules Modell geht. „Wie soll das denn in Heterosexuell aussehen? Die müssen doch alle drei im Bett aufeinander stehen.“ – Aber Günther und André, wende ich ein, schlafen auch nicht miteinander.

Drei. Drei sind Jules, Jim und Catherine, drei sind Lazlo, András und Ilona, drei sind Sally, Brian und Maximilian. Sei es „Jules et Jim“, „Gloomy Sunday“, „Cabaret“: Filmwelt und Belletristik sind voll von Fantasien über Triaden, weil wir alle wissen, dass zwei zu wenige und drei zu viele sind. Schön sind solche Dreiecks-romanzen immer, und schmerzhaft: Sie zeigen so weise, dass Entscheidung unmöglich ist, wenn es ums Begehren geht; sie tragen die Hoffnung in sich, dass es möglich wäre, den Dritten lieben zu dürfen ohne Verrat am Zweiten; sie sind nicht zuletzt eine Utopie, in der Sexuelles sich mit Geschwisterlichem mischt. Denn was sind drei, die sich lieben, anderes als eben die besten Freunde, deren Glück darin besteht, dass sie nichts verschweigen müssen und den Schmerz der Eifersucht zügeln, weil jeder seinen Teil bekommt. Doch im Film nehmen die Dreiecksgeschichten oft ein tragisches Ende. Wie soll das auch gut gehen, wenn Liebe und Sex sich nicht verstehen und sich doch so ähnlich sehen?

„Wenn Polygamie Flucht vor Intimität ist, dann funktioniert sie nicht“

Bettina kann die meisten Liebesgeschichten in Film, Fernsehen und Büchern schlecht ertragen, sie stimmen nicht, findet sie, weil sie immer mit dem Scheitern der unkonventionellen Beziehung enden, und am liebsten würde sie die Drehbücher umschreiben. Wir befinden uns in einer – sagen wir mal – stinknormalen Kleinfamilienwohnung in Wilmersdorf.

„Um mit mehr als einer Person in Beziehung sein zu können, muss man erst einmal in der Lage sein, mit einer einzigen eine Beziehung zu haben.“ Bettina sagt den Satz mit Nachdruck. Sie ist vierzig, Sozialpädagogin und lebt seit fünf Jahren mit Jürgen zusammen. Zweieinhalb Jahre alt ist ihr gemeinsamer Sohn Janis. Außerdem hat Bettina seit fünf Jahren eine Freundin in Göttingen und seit einem Jahr eine in Hamburg, die eine sieht sie alle zwei bis drei Monate, die andere rund ein Mal im Monat. Jürgen hat einen Freund in Berlin, den sieht er ein bis zwei Mal in der Woche. Es macht nichts, wenn dieser Freund in der gemeinsamen Wohnung bei und mit Jürgen schläft, und wenn Bettina zu ihrer Freundin nach Göttingen fährt, kann es auch schon mal sein, dass deren Mann im Bett bei den beiden Frauen übernachtet – oder eben nicht.

Jürgen schläft ab und zu mit anderen Frauen, Bettina selten mit anderen Männern. Sie hat Jürgen über das Zentrum für Bisexuelle Lebensweise (zBI) kennen gelernt, das er vor acht Jahren gründete, ihre Freundinnen über das Bisexuelle Netzwerk (BINE). Die unumstößliche Regel für Jürgen und Bettina ist Offenheit, Ehrlichkeit in Kombination mit kompromissloser Nähe. „Wenn es Heimlichkeiten gibt, ist die Beziehung tot“, sagen beide, das ist Regel Nummer eins, Regel Nummer zwei heißt, sich wirklich auf die Person einzulassen, bei der man gerade ist. „Was viele Schwule haben, ist offen“, sagt Jürgen, „aber es ist keine Beziehung. Wenn Polygamie Flucht vor Intimität ist, dann funktioniert sie nicht.“

Da sitzen die beiden am Wohnzimmertisch, freundlich, ausgeglichen, ein wenig müde von der Arbeit des Tages, dem Zubettbringen des Sohnes, der nicht schlafen will, und erzählen über ihr Leben und dass es nichts ausmacht, wenn einer mit wem anders schläft, solange niemand ausgeschlossen ist, solange man sich wirklich nah ist, erzählen, dass jeder das bekommen muss, was er braucht, und dass die Verletzungen, die Kränkungen, die in der Beziehung auftreten, alte sind, frühere. „Die Verletzung war schon vorher da“ – das ist so ein wichtiger Satz.

Wo bleiben die Dramen, Geschrei, Verzweiflung, Mord und Totschlag, Kranksein vor Neid, vor Eifersucht, vor Sehnsucht? Wo ist das ganze Dynamit, das darin steckt, dass zwei wollen und nicht können oder können und nicht wollen oder mehr wollen oder weniger und so fort? Bettina sieht mich an. „Wir sind nicht abgeklärt“, sagt sie, „aber Eifersucht ist nicht das Maß der Liebe.“ Sex ist ihr wichtig, sie glaubt aber nicht, dass „Sex der Ort ist, an dem wir die größte Nähe herstellen“.

Beide, Jürgen und Bettina, leiten Beratungsgruppen am zBI, doppelt so viele bisexuelle Männer wie Frauen suchen die Sprechstunden auf, oft kommen Paare, und meist heißt das Problem dann: „Mein Mann hat einen Freund, ich komme nicht damit klar.“ Dort stecken die Dramen. „Wir sind aber der Meinung, dass man die meisten Probleme in den Griff bekommen kann“, sagt Jürgen sanft. „Die Monogamie kneift ja, und Leute schicken sich darein, weil sie keine Alternative sehen und glauben, dass man nicht anders leben darf.“ Jürgen hat einen Leitfaden geschrieben: Gedanken zu einer Ethik für Menschen in (bi)sexuellen Liebesbeziehungen. Jeder nach seiner Fasson, es mag sein, dass es Menschen gibt, die wirklich monogam sein wollen – bitte, nur Bettina und Jürgen, die würden nicht wieder in einer normalen Zweierkiste leben können.

Mag sein, bei den „Champions der Unentschiedenheit“ gehören Vielecke zur Natur der Sache. Bisexuell sind sie leichter zu begründen, leichter zu ertragen vielleicht auch, denn offensichtlich ist, dass man bei einem Geschlecht nicht alles finden kann, wenn man beide braucht. Da ist Thomas, der schon lange mit seiner Freundin lebt und ein halbes Jahr lang offiziell und gleichzeitig einen Freund hatte; ein Problem gab es erst, als er sich in eine zweite Frau verliebte. Nun sucht er wieder nach einem festen Freund für die andere Hälfte seines Begehrens und verzweifelt wütend an den Versteckspielen der bisexuellen Männer, die ihren schwulen Anteil meist nur heimlich ausleben, um ihre Ehen nicht zu gefährden. – Da ist Roman, der die verrückteste Leidenschaft, „ein Märchen“, „den Bisexuellenhimmel“ mit einem Ehepaar aus dem Südosten Deutschlands lebte. Er, der einerseits auf Männer steht und andererseits „jedem Rock im gebärfähigen Alter“ hinterherrennt, ging „als Ehebrecher in die Beziehung, um die Ehe zu kitten“. Nur kurze Zeit dauerte die Liaison zu dritt, dann endete das Märchen, weil der männliche Part des Ehepaars eigentlich nicht mehr mit seiner Frau, sondern doch nur noch mit Männern schlafen wollte und die Frau eine Leidenschaft allein mit einem Mann und nicht mit zweien suchte. Vielecke bergen eben doch Dynamit. Für Roman aber wäre ein vollständiges Dreieck – zwei Männer, eine Frau – das Ideal, oder aber „ein festes Molekül mit freien Radikalen“. Von ihm lerne ich das schöne Wort „notmonogam“.

Zwei. Zwei ist das Paar, zwei sind Mutter und Kind. „Ich habe keine Dreiecksbeziehung gesehen, die wirklich funktioniert hätte“, sagt der Paartherapeut Friedhelm Schwiderski. Die Angst, die Mutter zu verlieren, Todesangst fürs kleine Kind, sucht jede Liebesbeziehung heim. Was immer wir erfahren haben, damals, früh in unserem Leben, setzt sich wie ein Stempel, eine Wunde, eine Narbe weiter fort. Daher ist die Angst vor Verlust so quälend – weil sie so archaisch ist –, daher die Eifersucht, die ungeheuerliche Kränkbarkeit in Liebesdingen. All das bricht auf, sobald einer im Bunde sich nicht mehr ganz stabil fühlt. Versorgt will er dann sein, mit Haut und Haar.

Die meisten Klienten suchen die Paartherapie genau wegen Dreiecksgeschichten der klassischen Art auf. Einer geht fremd, will weiter, der andere hemmt. Da ist sie, die Zwickmühle zwischen Sicherheit der Ehe und Lebendigkeit der Affäre, zwischen Geborgenheit und Freiheit, zwischen verletzender Offenheit und lähmendem Geheimnis. „Jeder will eigentlich beides, etwas für den Leib und etwas für die Seele, etwas, das satt macht, und etwas, das hungrig macht“, sagt Laszlo in „Gloomy Sunday“. „Und die Ilona nimmt es sich eben.“ Mutig, die Ilona. Weise, der Lazlo.

„Wenn du zwei hattest und hast jetzt noch eine, dann ist das einfach schon anatomisch weniger“

Vier. Seit vier Jahren sind sie auseinander, aber sie waren zu dritt. Achteinhalb Jahre lang hielt diese Beziehung in einer badischen Kleinstadt. „Die Szene“, sagt Dominique, „hat ultrascheiße reagiert, ein Riesentheater haben die gemacht.“ Immer wieder gab es das Gerede, das könne nicht gut gehen, die hämischen Blicke und auch die Unterstellung, sie seien ja für jede zu haben. Zwei sind übrig geblieben, Dominique und Annette. Gabi war diejenige, die zum Schluss ging. Dominique war diejenige, die am Anfang hinzukam.

Gabi und Annette waren ein seit dreieinhalb Jahren liiertes Paar, als Dominique sie kennen lernte. Und wie das so geschieht, fing sie eine Affäre mit Gabi an, eine übliche Affäre mit Heimlichkeit und Schuldgefühlen. Die Szene ist klein, man trifft sich. Es war ausgerechnet Dominique, die heimliche Geliebte, die Annette, der „betrogenen“ Gattin, die Affäre mit Gabi gestand, und beide beschlossen – hinter Gabis Rücken –, dass die Liebschaft ein Ende haben müsse.

Doch nun interessierte sich Dominique für Annette. „Ich bin ihr regelrecht hinterhergerannt.“ Annette allerdings war nicht zu haben für Spielchen. „Du musst verstehen, sie hat ihre Prinzipien, wenn sie treu sein will, dann ist sie es auch.“ Da war sie, die Sackgasse: Affäre mit Gabi abgebrochen, Affäre mit Annette nicht möglich. Also schrieb Dominique den beiden einen Brief und deutete an, dass sie es doch auch zu dritt versuchen könnten. „Rein mathematisch war das die Lösung, von der Lebenserfahrung her war es keine. Ich kannte solche Modelle nicht.“ Die drei trafen sich, sprachen über den Brief und sind dann miteinander im Bett gelandet. Anfang zwanzig waren sie damals.

Bald zog Dominique bei Gabi und Annette ein, zwei Zimmer hatten sie, ein Wohn- und Schlafzimmer mit einem Bett, ein Arbeitszimmer mit drei Schreibtischen. Erst nach vier Jahren wechselten sie in eine größere Wohnung, jede sollte jetzt ihr Zimmer haben, und drei Matratzen gab es nun auch.

Sex hatten sie meistens zu dritt in der ganzen Zeit der Beziehung. „Es lohnt sich“, sagt Dominique, „in den ersten Wochen und Monaten sind wir – ganz klassisch – überhaupt nicht aus dem Bett gekommen.“ Dominique kann sich nicht erinnern, dass sie sich irgendwelche Gedanken darüber machen mussten, ob eine von ihnen „außen“ stand. Es gab dieses Gefühl nicht, im Gegenteil, jetzt wo sie mit Annette allein zurückgeblieben ist, fehlt etwas. „Wenn du zwei hattest und hast jetzt nur noch eine, dann ist das einfach schon anatomisch weniger, weniger Brüste, weniger Finger und so weiter.“

Klassisch war diese Beziehung, symbiotisch. Fremdgehen kam hier „wie in allen guten Familien“ vor und war, wie in den meisten lesbischen Beziehungen, tabu. Hatte Dominique eine Affäre, wurde sie von Annette und Gabi vor die Wahl gestellt: sie oder wir. Eifersuchtsdramen klingen im Trio genauso wie in Zweierbeziehungen, nur lauter. Dieselben Heimlichkeiten, dieselben Verletzungen. „Wir haben versucht, damit umzugehen, aber es ging nicht.“ Dominique ist da pragmatisch. „Es ist utopisch, dass man immer Affären haben kann. Ich habe durchaus viel für Sex übrig, aber es ist mir wichtig, Annette zu respektieren, das heißt eben auch Dinge zu lassen, die ich nicht so gerne lasse.“ Punkt. Den Wunsch nach Neuem, nach frischen Verliebtheiten, das bekannte „serielle Verhalten“, erfüllt auch eine Dreierkombination nicht.

„Dreiecke sind schwierig. Sieh dir Kinder an, zwei spielen gut miteinander und vier auch, aber bei dreien ist immer einer draußen“

Dominique legt Wert auf die Feststellung, dass es Gabi war, die ausstieg. „Sie wollte nicht diejenige sein, die den Schritt tut, aber es ging von ihr aus.“ Eine Affäre Gabis, die seit längerer Zeit lief, war Anlass, aber nicht der Grund des Konfliktes, es ging um Grundsätzlicheres. „Was Annette und mich verbindet, ist unglaublich“, sinniert Dominique. Vielleicht funktionierte die Beziehung nicht mehr wirklich als Gleichgewicht, vielleicht schlummerte da etwas, vielleicht gab es doch einen Punkt der Eifersucht untereinander? „Wenn da etwas schlummerte, dann schlummerte es tief, wir haben davon nichts gemerkt.“ Irgendwann aber war es zu Ende.

Ein halbes Jahr lang dauerte die Übergangszeit, es war wie Phantomschmerz. Dominique stritt mit Annette über Dinge, um die sie vorher nur mit Gabi gestritten hatte. „Ich hatte Angst zu ersticken, plötzlich erdrückt zu werden von der einen.“ Seither leben Dominique und Annette die übliche Paarbeziehung. Gabi lebt und liebt mittlerweile auch wieder zu zweit, eng ist man immer noch verbandelt, wie in einer Familie.

Von ihrer Ideologie her sei sie kein klassischer Paarmensch, sagt Dominique. Die wunderbarste Erfahrung in der Liebe im Dreieck sei, dass man die Lasten verteilen könne. „Wenn eine wegfährt, bleiben zwei zurück; du hast nicht nur eine, sondern zwei, die zu dir stehen.“ Andererseits kann Dominique sich nicht vorstellen, noch einmal eine Dritte in ihre Beziehung zu Annette aufzunehmen. „Wer hätte denn eine Chance, bei uns einzubrechen?“

Drei. Das Dritte ist der Fetisch, das Kind, das Haus, der Hund; es ist das, worin zwei sich treffen, es ist das Andere, das Bewegung bringt. Zwei Männer, eine Frau. Zwei Frauen, ein Mann. Dreiecke haben keine Symmetrie, sie leben als hetero- und bisexuelle vom homosexuellen Begehren; sie leben von der Asymmetrie, und vielleicht sterben sie auch daran. „Dreiecke sind schwierig“, sagt auch Bettina, „sieh dir schon Kinder an, zwei spielen gut miteinander und vier auch, aber bei dreien ist immer einer draußen.“

Öfter als von Dreiecken ist daher von „Liebesnetzwerken“ die Rede, eben jenem „festen Molekül mit freien Radikalen.“ Wohl überall in der Welt beschäftigen sich unzählige Menschen mit dem Gedanken und der Praxis alternativer Liebesbeziehungen. In der Nähe von Berlin gibt es ein „Zentrum für experimentelle Gesellschaftsgestaltung“, im Internet finden sich unter dem Forum „Polyamory“ Texte, Linklisten und Chats zu der Suche nach einem Konzept, „verantwortungsvoll, ehrlich und offen mehrere verbindliche Liebesbeziehungen leben zu können“. Groß ist die Suche nach einer Kultur jenseits der Monogamie und ihrer Kehrseite, des geheimen Fremdgehwesens und anonymer Promiskuität. Steinig ist der Weg zum Glück – er läuft, so scheint es, immer über Akzeptanz und Ehrlichkeit. Wo aber bleibt das Recht auf Lüge?

André, Günther und Andreas. Dominique, Annette und Gabi. Nichts Besonderes eigentlich, drei Männer, drei Frauen. Das männliche Trio lebt die bekannte schwule Regel: Vögeln erlaubt, Verlieben verboten; das weibliche folgt den lesbischen Konventionen: Treue muss sein. „Wir waren“, sagt Dominique, „eine ganz klassische Beziehung mit Innen und Außen, nur zu dritt.“ Wenn sie einmal in die Jahre gekommen sind, so will es scheinen, funktionieren Trios wie jede andere Partnerschaft. So sehr das Thema Dreiecke die Belletristik und den Film beflügeln, so wenig finden wir Fachliteratur hierzu. Nur Ratgeber in Sachen Ehebruch/Geliebtenwesen gibt es wie Sand am Meer, wenig aber zu einer Utopie und ihrer Lebbarkeit: Dreiecke sind ein großes Thema und ein gut gehütetes Geheimnis.

„Sieh jetzt genau hin“, sagt Catherine zu Jules. Sie steigt mit Jim in ihren Wagen und rast zielstrebig auf einen Abgrund zu. So endet es in Filmen.


31.07.2002
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