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Antrag:Bundesparteitag 2013.1/Antragsportal/WP068

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Tango-preferences-system.svg Dies ist ein Antrag für den Bundesparteitag 2013.1. Das Sammeln und Diskutieren von Argumenten für und gegen den Antrag ist auf der Diskussionsseite möglich

Wende dich bei Fragen und (als Antragsteller) Änderungswünschen an ein Mitglied der Antragskommission.

Tango-dialog-warning.svg Dieser Text ist (noch) keine offizielle Aussage der Piratenpartei Deutschland, sondern ein an den Bundesparteitag eingereichter Antrag.

Antragsübersicht

Antragsnummer WP068
Einreichungsdatum 19.03.2013
Antragsteller

Björn Glienke

Mitantragsteller
  • Stephan Schurig
  • Ulrike Pohl
  • Doreen Kröber
  • Johannes Britz
Antragstyp Wahlprogramm
Antragsgruppe Keine der Gruppen
Zusammenfassung des Antrags Barrierefreiheit und Inklusion müssen endlich Teil unserer Gesellschaft in allen Bereichen werden.
Schlagworte Inklusion, Barrierefreiheit, Bildung, Schule, Gebärdensprache, Notrufsystem, Wahlrecht, Teilhabe, Denkmalschutz, Schwerbehindertenausweis
Datum der letzten Änderung 21.4.2013
Status des Antrags

Pictogram voting keep-light-green.svg Geprüft

Abstimmungsergebnis

Pictogram voting question.svg Noch nicht abgestimmt

Antragstitel

Inklusion und Barrierefreiheit

Antragstext

Der Bundesparteitag der Piraten möge beschließen, folgenden Text ins Wahlprogramm an den jeweils benannten Stellen aufzunehmen. Wenn die Versammlung dies wünscht, kann sie den Antrag gerne Modular abstimmen.

Der Bundesparteitag möge beschließen, in das Wahlprogramm für die kommende Bundestagswahl unter dem Punkt "Bildung" aufzunehmen:

Modul 1: Inklusives Schulsystem

Inklusion ist ein Menschenrecht. Sie darf und soll nicht bei der Bildung unserer Kinder aufhören, denn Bildung ist die Vorraussetzung für eine vollumfängliche Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Die Piratenpartei Deutschland setzt sich dafür ein, dass jedes Kind, egal ob mit oder ohne Behinderung bzw. sonderpädagogischem Förderbedarf, wohnortnah einen Lernort bzw. eine Schule besuchen kann.

Alle Lernorte bzw. Schulen müssen über barrierefreie Zugänge für alle Kinder verfügen, die nicht nur auf die baulichen Voraussetzungen beschränkt werden dürfen. Weiterhin müssen diese über eine adäquate Ausstattung und Qualifizierung an Personal, Assistenzleistungen, Lehr- und Lernmitteln sowie sonstige Hilfsmittel für jedes Kind verfügen. Wir setzen uns dafür ein, dass kein Kind wegen fehlenden Zugangsvoraussetzungen und Ressourcen an dem Lernort bzw. der Schule ihrer Wahl abgewiesen wird. Das Wunsch- und Wahlrecht des Kindes und dessen Erziehungsberechtigten über den Lernort bzw. die Schule (Regelschule vs. Förderzentrum) muss in allen Bundesländern gesetzlich festgeschrieben werden.

Modul 2: Vermittlung von Gebärdensprache an Schulen

Wir setzen uns dafür ein, dass an Schulen Kurse zum Erlernen der deutschen Gebärdensprache (DGS) wenigstens als freiwillige Arbeitsgruppe, besser jedoch als reguläres Wahlpflichtfach angeboten werden. Darüber hinaus sollen an Schwerhörigen- und Gehörlosenschulen noch existierende Lücken in den Lehrplänen geschlossen und die DGS als Pflichtfach eingeführt werden.


Der Bundesparteitag möge beschließen, in das Wahlprogramm für die kommende Bundestagswahl unter dem Punkt "Inklusion & Barrierefreiheit" aufzunehmen:

Modul 3: Flächendeckendes barrierefreies Notruf- und Informationssystem per Mobilfunk

Wir setzen uns für die zeitnahe Einführung eines flächendeckenden barrierefreien Notruf- und Informationssystems per Mobilfunk ein.

Modul 4: Deutsche Gebärdensprache als Amts- und Gerichtssprache

Für die Mehrheit der mehr als 80.000 Gehörlosen in Deutschland ist die Deutsche Gebärdensprache (DGS) das bevorzugte oder sogar einzige Kommunikationsmittel. Der DGS kommt damit eine entscheidende Rolle bei der Sicherstellung einer Teilhabe von Gehörlosen an gesellschaftlichen Prozessen zu. Die Piratenpartei Deutschland setzt sich deshalb dafür ein, die Deutsche Gebärdensprache als Amts- und Gerichtssprache anzuerkennnen.

Der Satz „Die Amtssprache/Gerichtssprache ist Deutsch“ ist in allen betreffenden Gesetzen zu ändern in „Die Amtssprachen/Gerichtssprachen sind Deutsch und Deutsche Gebärdensprache.“

Modul 5: Ergänzung des § 3 der Schwerbehindertenausweisverordnung "Tbl"

Die Piratenpartei Deutschland setzt sich dafür ein, im Rahmen des Sozialgesetzbuchs Neuntes Buch (SGB IX) in die Schwerbehindertenausweisverordnung (SchwbAwV) § 3 das Merkzeichen "Tbl" für taubblinde bzw. hörsehbehinderte Menschen aufzunehmen und im SGB IX Teil 1 Kapitel 7 Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft das Recht auf umfassende "Assistenz" für taubblinde bzw. hörsehbehinderte Menschen festzuschreiben. Menschen die von Taubblindheit betroffen sind, haben andere Bedürfnisse und Bedarfe als blinde oder gehörlose Menschen. Die Kombination der aktuell vorhandenen Merkzeichen "Gl" für gehörlos und "Bl" für blind, reicht unserer Meinung nach nicht aus.

Wir fordern dazu eine vorhergehende, umfassende Prüfung, welche Leistungen mit diesem neuen Merkzeichen verbunden sein sollen. Dazu ist zwingend die Einbeziehung von Betroffenen sowie den Angehörigen von Betroffenen sicherzustellen. Weiterhin müssen vor allem die Interessensvertretungen von taubblinden und hörsehbehinderten Menschen involviert werden, die keine finanziellen Interessen an einem neuen Merkzeichen hegen. Bestehende Nachteilsausgleiche müssen allerdings weiterhin Bestandsschutz haben.

Modul 6: Inklusives Wahlrecht für Menschen mit Behinderung

Die PIRATEN setzen sich für ein uneingeschränktes aktives und passives Wahlrecht für alle Menschen mit Behinderung ein. Dazu sollen in allen Parlamenten in Bund und Ländern die §§ 13 Nrn. 2 und 3 BWG (Bundeswahlgesetz) sowie 6a Abs. 1 Nrn. 2 und 3 EuWG (Gesetz über die Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland) beziehungsweise die entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften ersatzlos gestrichen werden. Wir unterstützen damit vollumfänglich die Forderungen des Deutschen Behindertenrates, des Instituts für Menschenrechte und des Behindertenbeauftragten der Bundesregierung zur Umsetzung eines inklusiven Wahlrechts.

Davon betroffen sind Menschen, denen ein Betreuer oder eine Betreuerin für alle Angelegenheiten bestellt worden ist oder die eine Straftat im Zustand der Schuldunfähigkeit begangen haben und wegen befürchteter Allgemeingefährlichkeit in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht sind. Es widerspricht den demokratischen Grundregeln, eine Menschen ein Recht deshalb zu versagen, weil dieser das Recht aus bestimmten tatsächlichen Gründen aller Voraussicht nach nicht oder nur stark eingeschränkt wahrnehmen kann. Beide Ausschlussvorschriften basieren auf historisch tradierten Vorurteilen, die überholt und mit dem heutigen Menschenrechtsverständnis nicht vereinbar sind. Sie führen stattdessen zu einer Ungleichbehandlung, für deren Rechtfertigung es keine plausiblen Argumente gibt.

Modul 7: Gesetz zur Sozialen Teilhabe unterstützen und umsetzen

Die Piratenpartei Deutschland unterstützt den Entwurf des Forums behinderter Juristinnen und Juristen zum „Gesetz zur Sozialen Teilhabe und zur Änderung des SGB IX und anderer Gesetze“ zur Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen.

Dies beinhaltet z. B.

  • einen anderen Behinderungsbegriff als Aktivitätseinschränkung im Kontext der Umgebung
  • Wunsch- und Wahlrecht für Teilhabeleistungen ermöglichen, das heute strukturell erheblich eingeschränkt ist
  • Recht auf Leichte Sprache
  • Leistungen für behinderte Kinder ausschließlich über das Jugendamt
  • Integrationsamt wird Rehabilitationsträger für alle erwachsenen behinderten Menschen (Finanzierung über den Bund)
  • Trägerübergreifende Begutachtung aller Leistungen
  • Leistungen zum Trägerübergreifenden Budget bleiben weitgehend bestehen
  • neue Leistungsform: Persönliche Assistenz sowohl im Arbeitgebermodell als auch genossenschaftlich oder selbst organisiert.

Die Piratenpartei wird den Gesetzentwurf nach ihrer Wahl in den 18. Deutschen Bundestag nach Möglichkeit umsetzen.

Modul 8: Barrierefreiheit von öffentlichen Einrichtungen gewährleisten

Wir setzen uns für die Umsetzung und Einhaltung der Barrierefreiheit in allen öffentlichen Einrichtungen ein. Neubauten müssen zwingend den gesetzlichen Mindeststandards für Barrierefreiheit entsprechen. Alte Gebäude sind nach Möglichkeit barrierefrei umzubauen. Dabei fordern wir mehr Einbeziehung von betroffenen Menschen zum Abbau von Barrieren als Grundvoraussetzung für eine inklusive Gesellschaft. Wir werden geeignete Sanktionen bei Missachtung bestehender Gesetze entwickeln. Zusätzlich wollen wir bundesweite Fördermaßnahmen als finanzielle Anreize für den Um- und Neubau schaffen.

Modul 9: Barrierefreiheit geht vor Denkmalschutz

Die Interessen von Barrierefreiheit und Denkmalschutz stehen sich häufig gegenüber. Nach unserer Meinung und der, von Deutschland unterschriebenen, UN-Behindertenrechtskonvention dürfen Menschen mit Behinderung nicht vom kulturellen Leben ausgeschlossen werden. Häufig beinhaltet Denkmalschutz verschiedene Vorstellungen von "Authentizität" (Echtheit), welche immer Kompromisse wie zeitgemäße Nutzungsanforderungen mit sich ziehen. Wir werden daher kreative Lösungen zur Vereinbarkeit fördern, uns jedoch vorrangig für Teilhabe und Barrierefreiheit einsetzen.

Wenn sich die Interessen von Barrierefreiheit und Denkmalschutz gegenüber stehen, ist sowohl der Denkmalschutzbeauftrage als auch der Beauftrage für Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt in die Lösung des bestehenden Konflikts einzubeziehen. Das Ergebnis soll auf jeden Fall eine Verbesserung der Barrierefreiheit sein. Damit im zukünftigen Denkmalschutz die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung berücksichtigt werden, ist es notwendig den Verantwortlichen der Denkmalpflege entsprechende Kenntnisse und Grundlagen für eine barrierefreie Gestaltung von Lebensräumen zu vermitteln. Auf Seiten der Politik für Menschen mit Behinderung muss aber auch das Wissen um den Wert und die Bedeutung des Erhalts "originaler" Bausubstanz und Baugestaltung erweitert werden.

Antragsbegründung

Modul 1: Inklusives Schulsystem

Ausgehend von unserem Grundsatzprogramm, ist ein inklusives Bildungssystem die Konsequenz aus Freiheit, Selbstbestimmung, Diskriminierungsfreiheit und Chancengleichheit. Da die Bundesrepublik Deutschland die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen unterschrieben hat, verpflichten wir uns zu den darin enthaltenen Zielen, Menschen mit Behinderung in das soziale, kulturelle, politische und wirtschaftliche Leben vollständig einzubeziehen.

Wir verweisen dafür auf folgende Punkte im Grundsatzprogramm zum Thema Bildung:

Bildung in einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft

Jeder Mensch hat das Recht auf freien Zugang zu Information und Bildung. Dies ist in einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft essentiell, um jedem Menschen, unabhängig von seiner sozialen Herkunft, ein größtmögliches Maß an gesellschaftlicher Teilhabe zu ermöglichen. Mit diesem Ziel ist das Hauptanliegen institutioneller Bildung die Unterstützung bei der Entwicklung zur mündigen, kritischen und sozialen Person. Dabei sollen die Belange des Lernenden im Vordergrund stehen.

[...]

Investitionen in Bildung sind Investitionen in die Zukunft.

https://wiki.piratenpartei.de/Programm#Bildung_in_einer_freiheitlich-demokratischen_Gesellschaft

Die öffentliche Bildungsinfrastruktur

Der freie Zugang zu Bildungseinrichtungen ist im Interesse aller. Deshalb ist es Aufgabe der gesamten Gesellschaft, in Form des Staates, eine leistungsfähige und ihrem Zwecke angemessene Bildungsinfrastruktur zu finanzieren und frei zur Verfügung zu stellen. Private Finanzierung öffentlicher Bildungseinrichtungen ist grundsätzlich zu begrüßen, solange sie keinen Einfluss auf die bestehenden Lehrinhalte hat.

[...]

Trotz des staatlichen Bildungsauftrages soll die Erziehung in Bildungseinrichtungen die Erziehung durch die Eltern nicht ersetzen. Zur umfassenden Bildung gehört, dass sich beide Formen der Erziehung gegenseitig ergänzen und fördern.

https://wiki.piratenpartei.de/Programm#Die_.C3.B6ffentliche_Bildungsinfrastruktur

Bildung als individueller Prozess

Jeder Mensch ist ein Individuum mit persönlichen Neigungen, Stärken und Schwächen. Institutionelle Bildung soll daher den Einzelnen unterstützen seine Begabungen zu entfalten, Schwächen abzubauen und neue Interessen und Fähigkeiten zu entdecken. Neben starren Lehr- und Stundenplänen, werden vor allem einige Formen der Leistungsbewertung diesen Forderungen nicht gerecht. Insbesondere die Bewertung von Verhalten nach einem vorgegebenen Normenraster z.B. bei den sogenannten Kopfnoten lehnen wir ab.

Die Bildungsinhalte haben auf fundierten und belegbaren Erkenntnissen zu basieren und müssen von einem möglichst neutralen Standpunkt aus vermittelt werden. Dies beinhaltet vor allem eine sachliche Darstellung, die Ausgewogenheit der Standpunkte und eine kritische Quellenbewertung.

https://wiki.piratenpartei.de/Programm#Bildung_als_individueller_Prozess

Frühkindliche Bildung

Die frühkindliche Bildung hat für die Ziele der Piratenpartei zentrale Bedeutung. Ihre Aufgabe ist es, alle Kinder - trotz bestehender Unterschiede - in den persönlichen Kompetenzen so zu fördern, dass sie unabhängig von ihrer sozialen und kulturellen Herkunft sowie ungeachtet möglicher körperlich oder seelisch bedingter Nachteile oder Entwicklungsverzögerungen mit möglichst guten Grundvoraussetzungen ihre Schullaufbahn beginnen.

Die Piraten setzen sich deshalb für eine kostenlose und auf Wunsch ganztägige Betreuung in wohnortnahen (oder wahlweise arbeitsplatznahen) Kindertagesstätten mit sinnvollen Öffnungszeiten für Kinder ab dem dritten Geburtstag ein. Ziel der Piraten ist außerdem die Anerkennung eines konkreten Bildungsauftrags an Kindertagesstätten und die Finanzierung entsprechend der Regelung für Schulen. Dies beinhaltet vor allem eine sachliche Darstellung, die Ausgewogenheit der Standpunkte und eine kritische Quellenbewertung.

https://wiki.piratenpartei.de/Programm#Fr.C3.BChkindliche_Bildung

Modul 2: Vermittlung von Gebärdensprache an Schulen

Für das Gelingen der Inklusion müssen Menschen auch miteinander kommunizieren können. Während z.B. in den USA und in Skandinavien die Vermittlung der Gebärdensprache an Regelschulen nicht unüblich ist, ist dies in Deutschland leider eine absolute Ausnahme. Kenntnisse kann man sich hierzulande als Interessierter vor allem vereinzelt an Volkshochschulen oder manchmal in offenen universitären Sprachkursen (dann aber mit Warteliste) erwerben. Die verfügbaren Plätze sind extrem limitiert, in der Regel schnell vergriffen und können deswegen nicht nachhaltig eine stärkere Verankerung der Gebärdensprache in der Gesellschaft bewirken.

Mit der hier geforderten Vermittlung von Gebärdensprache an Regelschulen wird eine größere Verbreitung möglich und es werden effektiv und schon im Jugendalter gesellschaftliche Barrieren abgebaut. Dieser Antrag ist eines der konkreten Elemente, mit denen wir unseren neuen Aussagen zur Inklusion auf Bundesebene nach und nach Substanz verleihen können.

Leicht überarbeitete Version des BPT2012.2er Antrags PA293. Inhaltlich abgestimmt mit Bundes-AG Barrierefreiheit, dem hessischen AK Bildung und diversen Einzelpiraten, die in der Inklusion tätig sind.

Quelle: http://wiki.piratenpartei.de/BY:Landesparteitag_2013.1/Antragsfabrik/Positionspapier_043

Modul 3: Flächendeckendes barrierefreies Notruf- und Informationssystem per Mobilfunk

Bis heute gibt es in Deutschland keine Möglichkeit in einer Notfallallsituation barrierefrei einen Notruf abzusenden. Besonders behinderte Menschen sind davon betroffen, aber auch wenn ein Handyakku nicht mehr für einen Notruf per Sprache ausreicht, ist ein non-verbaler Notruf notwendig. Ein bundesweiter barrierefreier non-verbaler Notruf für Polizei, Feuerwehr oder Krankenwagen existiert derzeit nicht.

Bisher gibt es lediglich in Berlin und in Köln spezielle Notrufnummern für SMS, die technisch gesehen relativ problemlos auf ganz Deutschland ausweiten werden könnte. Österreich hat bereits sehr gute Erfahrungen mit einer SMS-Notrufnummer für Gehörlose gemacht, die von allen großen Netzbetreibern unterstützt wird.

Es gibt derzeit zwar eine Notfall-Fax-Einrichtung (z.B. in Münster) für Gehörlose und Schwerhörige Menschen, aber dieser ist höchst umständlich und erfordert ein Faxgerät, welches heutzutage nur noch wenige Menschen besitzen oder bei vielen Notfallsituationen nicht verfügbar ist. Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass Fax-Notrufe nicht immer so ernst genommen werden, wie es vonnöten wäre oder erst viele Stunden später Hilfe eintrifft und es dann möglicherweise schon zu spät ist.

Länder in denen schon ein Notruf per SMS möglich ist sind: USA, England, Australien, Irland, Singapore, Portugal

Im Falle einer Katastrophe in Deutschland wird die Bevölkerung per Sirene und Lautsprecherdurchsagen informiert, das Radio und/oder TV einzuschalten um weitere Informationen zu erhalten. Die Bevölkerung wird dazu angehalten ihre Nachbarn und vor allem Hilfsbedürftige zu informieren. Hörbehinderte Menschen bekommen davon jedoch nicht sofort etwas mit und sind somit auf die Aufmerksamkeit ihrer Mitmenschen angewiesen. Dies ist ein unhaltbarer Zustand.

Käme es noch zu einer Evakuierung denken Menschen erstmal an sich, ihre Familie, Freunde. Behinderte Mitmenschen wohl im seltesten Fall. Auch wenn der Katastrophenschutz dazu aufruft.

Quelle: http://wiki.piratenpartei.de/Bundesparteitag_2012.1/Antragsfabrik/Programm%C3%A4nderung_071

Modul 4: Deutsche Gebärdensprache als Amts- und Gerichtssprache

In Deutschland leben mehr als 80.000 Gehörlose, von denen die Mehrheit die Deutsche Gebärdensprache (DGS) als Muttersprache und somit als bevorzugte Kommunikationsform hat. Der DGS kommt damit eine entscheidende Rolle bei der Sicherstellung einer Teilhabe von Gehörlosen an gesellschaftlichen Prozessen zu.

Das Behindertengleichstellungsgesetz erkennt die DGS bereits als eigenständige Sprache an (BGG, §6, Abs. 1) und spricht hör- oder sprachbehinderten Menschen das Recht zu, gegenüber staatlichen Institutionen die DGS zu verwenden, „soweit dies zur Wahrnehmung eigener Rechte im Verwaltungsverfahren erforderlich ist“ (BGG, §9). Das Sozialgesetzbuch nennt als einzige Amtssprache zwar Deutsch, spricht aber hörbehinderten Menschen ebenfalls das Recht zu, „zur Verständigung in der Amtssprache Gebärdensprache zu verwenden.“ Hier wird die DGS damit allerdings nicht als eigenständige Sprache, sondern als Form der Amtssprache Deutsch behandelt.

Mit einer eindeutigen Anerkennung der DGS als zweiter Amts- und Gerichtssprache neben dem Deutschen würden diese Einzel-, bzw. Ausnahmeregelungen hinfällig und Gehörlose wären in ihrer Kommunikation mit staatlichen Institutionen anderen Bürger/innen durchgängig gleichgestellt. Außerdem wäre die Unklarheit bezüglich der Eigenständigkeit der DGS beseitigt.

Eine Anerkennung der DGS als Amtssprache wäre außerdem ein starke Grundlage für weitere von uns geplante Initiativen, z.B. zur verpflichtenden Verwendung der DGS in der Hörgeschädigtenpädagogik und zur verpflichtenden Verdolmetschung von Fernsehsendungen in DGS.

Andere Länder wie Neuseeland (1) und Island (2) haben die Gebärdensprache längst als Amtssprache aufgenommen. Uganda (3) hat zum Beispiel gesetzlich verankert, dass die Gebärdensprache gefördert wird.

Quelle: https://wiki.piratenpartei.de/Antrag:Bundesparteitag_2012.2/Antragsportal/PA347

Weiterführende Links

Gesetze, in denen das Deutsche als Amtssprache festgelegt ist:

  • Bundesverwaltungsverfahrensgesetz, §23: http://www.gesetze-im-internet.de/vwvfg/__23.html
  • Ebenso die Verwaltungsverfahrensgesetze aller Bundesländer (keine Verlinkung, sie haben im Prinzip alle einen fast gleichlautenden Paragrafen)
  • Das Sozialgesetzbuch, Buch 10, §19, Abs. 1: http://www.gesetze-im-internet.de/sgb_10/__19.html -- dort ist DGS übrigens der Amtssprache gleichgestellt:
    • „(1) Die Amtssprache ist deutsch. Hörbehinderte Menschen haben das Recht, zur Verständigung in der Amtssprache Gebärdensprache zu verwenden; Aufwendungen für Dolmetscher sind von der Behörde oder dem für die Sozialleistung zuständigen Leistungsträger zu tragen.“
  • Außerdem ist Deutsch als Gerichtssprache festgelegt, und zwar im Gerichtsverfassungsgesetz §184: http://www.gesetze-im-internet.de/gvg/__184.html

Die Gebärdensprache in deutschen Gesetzen:

Modul 5: Ergänzung des § 3 der Schwerbehindertenausweisverordnung "Tbl"

Hinweis: Bis auf die BAG Taubblinder e. V. sind die die fordernden Verbände alles Einrichtungen, die mit der Arbeit mit taubblinden Menschen Geld verdienen. Die Eltern bzw. Angehörigen taubblinder Menschen sind nicht vertreten.

Im März 2009 hat die Bundesregierung als 50. Land die UN-Konvention zu den Rechten von Menschen mit Behinderung ratifiziert. Das ist rechtsverbindliche Grundlage für die Rechte behinderter Menschen. Sie schafft konkreten Handlungsbedarf. Taubblindheit ist keine Behinderung die sich aus der Addition von Blindheit und Gehörlosigkeit ergibt, sondern tritt schon ein, wenn der eine Fernsinn nicht durch den anderen Fernsinn kompensiert werden kann (z. B. bei Gehörlosigkeit und Sehbehinderung oder Blindheit und Hörbehinderung). Das heißt, dass nur ein geringer Teil der Taubblinden bisher durch die Kombination der Merkzeichen "Gl" für gehörlos und "Bl" für blind erfasst werden.

Sehfähigkeit und Hörvermögen sind die Basis für das Gelingen von Kommunikation. Wenn diese beiden zentralen kommunikativen Fähigkeiten fehlen, sind die Auswirkungen nicht annähernd dadurch gekennzeichnet, dass im Schwerbehindertenausweis die Merkzeichen Bl und Gl nebeneinander enthalten sind. Die meisten Dinge können ohne spezifische Hilfen und / oder Assistenz nicht wahrgenommen werden. Bei Behinderung eines Hauptsinnes und Hinzukommen der Behinderung des zweiten Hauptsinnes sind im Vorfeld bis zum Erreichen der vollständigen Beeinträchtigung präventive Maßnahmen erforderlich, um rechtzeitig Kommunikationstechniken und den Umgang mit Hilfsmitteln erlernen zu können und damit Isolation schon im Vorfeld zu vermeiden. Aus diesem Grunde sollten Leistungen zur Teilhabe nach §55 SGB IX ausdrücklich auch für von Taubblindheit bedrohte Menschen zur Verfügung stehen.

Die außergewöhnliche Schwere der Beeinträchtigung von taubblinden Menschen besteht in dem umfassenden Ausgeschlossensein vom Leben, sofern eine geeignete Assistenz fehlt. Deshalb ist das Merkzeichen Tbl im Schwerbehindertenausweis unverzichtbar. (s. Resolution zu den Belangen taubblinder Menschen vom 20.05.2009, Taubblindendienst e.V. und BAT).

14.000 Unterschriften wurden am 29.3.2012 in Verbindung mit einem Fachgespräch zum Thema Taubblindheit und Assistenz im Bundesministerium für Arbeit und Soziales bereits überreicht.

Hier findet ihr ein Gutachten, welches Forderungen von Betroffenen und Verbänden für eine verbesserte Teilhabe taubblinder Menschen an der Gesellschaft enthält. Die Verbände, die dahinter stehen, sind:

  • Gemeinsamer Fachausschuss hörsehbehindert/taubblind (GFTB) bestehend aus:
  • Deutscher Blinden- und Sehbehindertenverband e. V. (DBSV)
  • Arbeitsgemeinschaft der Dienste und Einrichtungen für taubblinde Menschen (AGTB)
  • Bundesarbeitsgemeinschaft Taubblinder e. V. (BAT)
  • Taubblindendienst e. V.
  • Pro Retina Deutschland e. V.
  • Deutsches Katholisches Blindenwerk e. V. (DKBW)
  • Verband der Katholischen Gehörlosen Deutschlands e. V.
  • Taubblindenassistentenverband e. V. (TBA-Verband)
  • Verband für Blinden- und Sehbehindertenpädagogik (VBS)

Quelle: https://wiki.piratenpartei.de/Antrag:Bundesparteitag_2012.2/Antragsportal/PA022

Hinweis

Der Antragstext inkl. der Begründung sind nahezu vollständig von der momentan laufenden ePetition übernommen worden (Link 1, Link 2).

Weitere Informationen zu Taubblindheit


Modul 6: Inklusives Wahlrecht für Menschen mit Behinderung

tl;dr

Holger Borner, Stv. Koordinator des Arbeitsausschusses, Deutscher Behindertenrat (DBR) schrieb mir in einer Email vom 22. Januar 2013 folgendes: "Was speziell das passive Wahlrecht angeht, so ist – abgesehen von der wohl eher begrenzten praktischen Relevanz – zu berücksichtigen, dass der Wahlrechtsausschluss in § 13 Nr. 3 BWahlG pauschal erfolgt, also nicht nach dem konkreten Unrechtstatbestand differenziert. Liegt indessen eine besonders schwere Straftat zugrunde, die einen Ausschluss (aktiv wie passiv) rechtfertigt, so bleiben immer noch die Ausschlussmöglichkeiten nach § 13 Nr. 1 BWahlG sowie nach § 45 StGB, der ja im Übrigen auch erst ab einer Verurteilung zu einer bestimmten Freiheitsstrafe einen Verlust der Amtsfähigkeit, der Wählbarkeit und des Stimmrechts vorsieht.

Bezüglich Ihrer Frage zur praktischen Ausübung des passiven Wahlrechts ist darauf hinzuweisen, dass es zunächst einmal um die generelle Einräumung eines demokratischen Grundrechts geht. Es widerspricht demokratischen Grundregeln, einem Bürger ein Recht deshalb zu versagen, weil dieser das Recht aus bestimmten tatsächlichen Gründen aller Voraussicht nach nicht oder nur stark eingeschränkt wahrnehmen kann."

Langfassung:

"Immer noch wird in Deutschland manchen erwachsenen Frauen und Männern mit Behinderungen das Wahlrecht komplett abgesprochen. Davon betroffen sind Menschen, denen ein Betreuer oder eine Betreuerin für alle Angelegenheiten bestellt worden ist (§ 13 Nr. 2 Bundeswahlgesetz - BWG) oder die eine Straftat im Zustand der Schuldunfähigkeit begangen haben und wegen befürchteter Allgemeingefährlichkeit in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht sind (§ 13 Nr. 3 BWG). Beide Ausschlussvorschriften basieren auf historisch tradierten Vorurteilen, die überholt und mit dem heutigen Menschenrechtsverständnis nicht vereinbar sind. Sie führen stattdessen zu einer Ungleichbehandlung, für deren Rechtfertigung es keine plausiblen Argumente gibt. Nicht einsichtig ist zum Beispiel, warum bei behinderten Menschen, die unter Vollbetreuung stehen, auf eine (pauschal unterstellte) fehlende Einsichtsfähigkeit in das Wesen und die Bedeutung von Wahlen verwiesen wird, obwohl eine solche Einsichtsfähigkeit bei keinem anderen Volljährigen jemals geprüft wird und obwohl das freie Wahlrecht anerkanntermaßen auch das Recht umfasst, gar nicht zu wählen oder „Protest“ zu wählen oder „demokratisch unvernünftig“ zu wählen. So wenig nachvollziehbar dies ist, so klar tritt andererseits die damit verbundene Stigmatisierung der Betroffenen zu Tage. Ähnlich verhält es sich mit dem Argument, man müsse einem Missbrauch durch Dritte vorbeugen: In keinem anderen Zusammenhang würde deshalb jemandem das Recht selbst entzogen. Ebenso wenig leuchtet angesichts der geringen Fallzahlen ein, wodurch ein inklusives Wahlrecht etwa die Funktionsfähigkeit der demokratischen Institutionen in Deutschland gefährden könnte oder welche praktischen Gründe jenseits unzulässiger Kostenerwägungen etwa einen weiteren Ausschluss behinderter Menschen vom Wahlrecht erforderlich machten. Erfahrungen in anderen Ländern deuten jedenfalls auf das Gegenteil hin.

Gleiches gilt für den Wahlrechtsausschluss von Menschen, die eine Straftat im Zustand der Schuldunfähigkeit begangen haben und die wegen ihrer befürchteten Gefährlichkeit in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht sind. Auch hier ist kein sachlicher Grund ersichtlich, der diese Ungleichbehandlung im Vergleich mit der restlichen Bevölkerung rechtfertigen könnte. Weder eine festgestellte Unzurechnungsfähigkeit noch eine begangene Straftat jenseits bestimmter staatsgefährdender Delikte noch eine prognostizierte Allgemeingefährlichkeit sind taugliche Sachgründe. All dies verdeutlicht, wie wenig begründbar der Wahlrechtsausschluss behinderter Menschen ist. Dies ist umso gravierender, als dieser Ausschluss für die Betroffenen einen massiven Eingriff in ihr grundlegendes demokratisches Mitwirkungsrecht bedeutet. Eine solch anangemessene Beeinträchtigung des Wahlrechts ist weder nach den menschenrechtlichen Maßstäben des Völkerrechts zulässig noch nach denen des deutschen Grundgesetzes, wenn man es wie vom Bundesverfassungsgericht gefordert im Lichte der BRK interpretiert. Die genannten Ausschlusstatbestände im Bundeswahlgesetz müssen daher aufgehoben werden. Nichts anderes kann für gleichlaufende Regelungen im Europawahlgesetz beziehungsweise in den Wahlgesetzen der Bundesländer gelten.

Bei der Verwirklichung dieser menschenrechtlichen Vorgaben sind nicht nur die jeweils zuständigen staatlichen Stellen als unmittelbar Umsetzungsverpflichtete gefordert. Tatsächliche Inklusion kann vielmehr nur gelingen, wenn politisch bedeutsame und in der Praxis wirkungsmächtige Akteure wie etwa die Parteien und die organisierte Zivilgesellschaft in ihrem jeweiligen Einflussbereich nach Kräften mitwirken, etablierte Strukturen zu hinterfragen und eigene Vorurteile zu überwinden."

Begründung komplett übernommen aus: Policy Paper des Instituts für Menschenrechte: Gleiches Wahlrecht für alle? Menschen mit Behinderungen und das Wahlrecht in Deutschland

Bisherige Rechtsprechung

Bundeswahlgesetz (BWG)

§ 13 Ausschluß vom Wahlrecht

Ausgeschlossen vom Wahlrecht ist,

2. derjenige, für den zur Besorgung aller seiner Angelegenheiten ein Betreuer nicht nur durch einstweilige Anordnung bestellt ist; dies gilt auch, wenn der Aufgabenkreis des Betreuers die in § 1896 Abs. 4 und § 1905 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bezeichneten Angelegenheiten nicht erfaßt,

3. wer sich auf Grund einer Anordnung nach § 63 in Verbindung mit § 20 des Strafgesetzbuches in einem psychiatrischen Krankenhaus befindet.

Gesetz über die Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland (EuWG)

§ 6a Ausschluß vom Wahlrecht

(1) Ein Deutscher ist vom Wahlrecht ausgeschlossen, wenn

2. zur Besorgung aller seiner Angelegenheiten ein Betreuer nicht nur durch einstweilige Anordnung bestellt ist; dies gilt auch, wenn der Aufgabenkreis des Betreuers die in § 1896 Abs. 4 und § 1905 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bezeichneten Angelegenheiten nicht erfaßt,

3. er sich auf Grund einer Anordnung nach § 63 in Verbindung mit § 20 des Strafgesetzbuches in einem psychiatrischen Krankenhaus befindet.

Links & Informationen

Quelle: https://lqfb.piratenpartei.de/lf/initiative/show/5538.html

Modul 7: Gesetz zur Sozialen Teilhabe unterstützen und umsetzen

Das Gesetz zur Sozialen Teilhabe ist ein Vorschlag des Forums behinderter Juristinnen und Juristen zur Reform der Eingliederungshilfe nach § 54ff. SGB XII und zur Umsetzung des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen UN-BRK, insbesondere von Art. 19 „Unabhängige Lebensführung und Einbeziehung in die Gemeinschaft“.

Das Problem: Lücken im Sozialrecht

Die bisherigen Regelungen stehen im SGB IX als „Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft“ und teilweise im SGB XII als „Eingliederungshilfe für behinderte Menschen“ mit der dazu gehörenden Eingliederungshilfe-Verordnung. Im Gegensatz zu den anderen Leistungen sind die „Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft“ aber nur unzureichend im SGB IX geregelt, d.h. sie stehen nicht gleichberechtigt neben den unterhaltssichernden Leistungen, den Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben.

Erschwerend kommt hinzu, dass Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft anders als die Leistungen der medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben nur unter Anrechnung von Einkommen und Vermögen erbracht werden mit der Folge, dass Menschen mit Behinderung allein aufgrund des Umstandes der Behinderung auf ein Leben auf Sozialhilfeniveau verwiesen werden.

Die Folgen: Menschenrechtsverletzungen im Bereich Teilhabe – 4 Beispiele

Personen mit hohem Assistenzbedarf (über die Pflegestufe III hinaus) werden zwangsweise darauf verwiesen, in stationären Wohnheimen zu leben, da dies angeblich kostengünstiger sei. Jungen Menschen mit Behinderung droht damit zudem eine Unterbringung in einer Alteneinrichtung.

Die seit langem geforderte Elternassistenz ist bislang noch nicht ausdrücklich geregelt, so dass die damit verbundenen Auseinandersetzungen mit den zuständigen Kostenträgern sehr langwierig und belastend sind. Eltern mit Behinderungen haben Angst davor, Hilfen zur Erziehung zu beantragen, da sie fürchten, dass man ihnen dann ihr Kind wegnimmt. Denn Hilfe zur Erziehung würde bedeuten, dass sie mit der Erziehung ihrer Kinder überfordert seien, was am Thema vorbei geht.

Nach wie vor gehen viele Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben an den Bedürfnissen von Menschen mit Behinderungen, für die sie eigentlich geschaffen wurden, vorbei, da eine starke Orientierung an den Interessen von Leistungsanbietern zu erkennen ist. Dies zeigt sich besonders darin, dass ein erheblicher Teil dieser Leistungen für Werkstätten für Menschen mit Behinderung aufgebracht werden, anstatt sich verstärkt um eine Eingliederung von Menschen mit Behinderung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu bemühen.

Mit der Umsetzung dieses Gesetzentwurfs sollen behinderte Menschen auch verbindlich Zugang zu Dienstleistungen und Einrichtungen erhalten, die für die Allgemeinheit bestimmt sind und die auch ihre Anforderungen und Bedürfnisse zu berücksichtigen haben (physische, informationelle, kommunikative und einstellungsbezogene Barrierefreiheit).

Die Lösung: Ein Artikelgesetz zur Sozialen Teilhabe

Das Forum hat mit seinem Vorschlag ein sogenanntes Artikelgesetz erarbeitet und es lohnt sich, das Original zu lesen, denn es beinhaltet ganz unterschiedliche Aspekte der Teilhabe und deren Umsetzung (wie die Entlastung der Kommunen), die hier nur angerissen werden konnten: Gesetzentwurf

Quelle: https://wiki.piratenpartei.de/Antrag:Bundesparteitag_2012.2/Antragsportal/P006

Modul 8: Barrierefreiheit von öffentlichen Einrichtungen gewährleisten

und

Modul 9: Barrierefreiheit geht vor Denkmalschutz

Die gesellschaftliche Teilhabe ist nach Möglichkeit allen Menschen zu gewährleisten. Dabei dürfen nur minimale Abstriche gemacht werden. Barrierefreiheit ist keine Selbstverständlichkeit und wird trotz gesetzlicher Bestimmungen sogar heute noch ignoriert (1). Die Einbeziehung von Menschen, die Barrieren ausgesetzt sind, ist die Konsequenz aus den Grundsätzen Teilhabe, Mitbestimmung, Würde und Respekt.

Denkmalschutz wird häufig als Grund angeführt, um baurechtliche Vorschriften zur Barrierefreiheit nicht umzusetzen. Hier müssen wir Piraten uns entscheiden, ob wir auch den Menschen die Teilhabe ermöglichen wollen, die in unserer Gesellschaft bereits vielfach ausgeschlossen sind. Behindertenverbände fordern zunehmend die Gewährleistung der Teilhabe (2). Wichtig ist die gegenseitige Kommunikation der Interessensgruppen zu fördern, gemeinsame Lösungsvorschläge zu erarbeiten und kreative Lösungen zu entwickeln (3) (4).

Bewertung durch die UN-Behindertenrechtskonvention: "In der UN-Behindertenrechtskonvention werden im Artikel 9 „geeignete Maßnahmen mit dem Ziel, für Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen den Zugang zu … Einrichtungen und Diensten, die der Öffentlichkeit in städtischen und ländlichen Gebieten offen stehen oder für sie bereitgestellt werden, zu gewährleisten.“ Artikel 30 zur Teilhabe am kulturellen Leben sowie an Erholung, Freizeit und Sport konkretisiert diese Forderung auch für den Zugang zu „Denkmälern und Stätten von nationaler kultureller Bedeutung“. Die Charta von Venedig unterstützt den Gebrauch von Denkmälern „durch eine der Gesellschaft nützliche Funktion“ da dies die Erhaltung der Denkmäler begünstigt. Struktur und Gestalt der Denkmäler sollen nicht verändert werden. In der Erklärung von Barcelona verpflichten sich die unterzeichnenden Kommunen Personen mit Behinderungen Zugang zu Kultur-, Sport- und Freizeitangeboten und zur Teilnahme am gesellschaftlichen Leben in der Gemeinde, zu allgemeinen und ggf. zu besonderen Dienstleistungen in den Bereichen Gesundheit, Rehabilitation, Aus- und Weiterbildung, Arbeit und soziale Dienste zu ermöglichen, insofern diese in den Rahmen ihrer Befugnisse fallen." (5)

  1. MZ: Behinderte bleiben außen vor, 14.05.2012
  2. Kobinet: Denkmalschutz vor Barrierefreiheit?
  3. Rehacare: Barrierefreier Denkmalschutz: Immer ein Kompromiss, 2008
  4. Barrierefrei trotz Denkmalschutz: Treppenmagie für die Folkoperan in Stockholm
  5. Bildungs- und Forschungsinstitut zum selbstbestimmten Leben Behinderter bifos e. V. (Hrsg.) (2010): Barrierefreiheit im Denkmalschutz in Deutschland und insbesondere Thüringen durch Zielvereinbarungen, S. 10

Quelle: http://wiki.piratenpartei.de/LSA:Landesverband/Organisation/Mitgliederversammlung/2013.1/Antragsfabrik/Programm%C3%A4nderung_032


Einen besonderen Dank geht an alle Autor*innen und die Menschen, die sich bei der Antragsstellung beteiligt haben.

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