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Antrag:Bundesparteitag 2013.1/Antragsportal/WP112

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Tango-preferences-system.svg Dies ist ein Antrag für den Bundesparteitag 2013.1. Das Sammeln und Diskutieren von Argumenten für und gegen den Antrag ist auf der Diskussionsseite möglich

Wende dich bei Fragen und (als Antragsteller) Änderungswünschen an ein Mitglied der Antragskommission.

Tango-dialog-warning.svg Dieser Text ist (noch) keine offizielle Aussage der Piratenpartei Deutschland, sondern ein an den Bundesparteitag eingereichter Antrag.

Antragsübersicht

Antragsnummer WP112
Einreichungsdatum 08.04.2013
Antragsteller

Mercutio

Mitantragsteller
  • Samwise007
  • RhoTP
  • Noujoum
  • Ralf
Antragstyp Wahlprogramm
Antragsgruppe Wirtschaft und Finanzen
Zusammenfassung des Antrags Kalte Progression ist ein Bug im deutschen Einkommenssteuersystem. Dieser Antrag umfasst ein simples Bugfix. Positive Konsequenzen der Umsetzung: transparenteres Steuersystem und geringere Belastung von Bezieher_Innen geringer und mittlerer Einkommen.
Schlagworte Steuern, Steuerprogression, Einkommenssteuer, Steuerreform, Inflation, Progression
Datum der letzten Änderung 12.4.2013
Status des Antrags

Pictogram voting keep-light-green.svg Geprüft

Abstimmungsergebnis

Pictogram voting question.svg Noch nicht abgestimmt

Antragstitel

Beseitigung der kalten Progression bei der Einkommenssteuer

Antragstext

Der Bundesparteitag möge beschließen, folgenden Text in das Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2013 aufzunehmen und im Kapitel "Wirtschaft und Finanzen" im Unterpunkt "Steuern" einzufügen:

Beseitigung der kalten Progression

Die Piratenpartei setzt sich dafür ein, dass die sogenannte "kalte Progression" im deutschen Einkommenssteuersystem beseitigt wird. Unter kalter Progression versteht man den unerwünschten Effekt, dass Lohnerhöhungen, die nur die Inflation ausgleichen, zu einem höheren Grenzsteuersatz führen. Praktisch werden damit über die Inflation jährlich verdeckte Steuererhöhungen in Milliardenhöhe vollzogen, für welche die deutsche Politik keine Rechenschaft ablegen muss. Dies trug dazu bei, dass die Ausdifferenzierung des deutschen Einkommenssteuersystems verloren ging und Mittelschichtshaushalte heute einen Grenzsteuersatz zahlen, der dem von Industriemagnaten und Bankiers nahekommt.

Die Beseitigung der kalten Progression bei der Einkommenssteuer soll über eine jährliche Anpassung aller Tarifeckwerte und der pauschalen Abzugs- und Freibeträge erreicht werden. Diese werden dabei durch einen geeigneten Index um die Inflation des Vorjahres angepasst. Geeignet ist ein Inflationsindex, wenn er öffentlich einsehbar ist und seine Berechnung nachvollziehbar erfolgt. Er sollte insbesondere die Inflationsbelastung der BezieherInnen von geringen und mittleren Einkommen realistisch abbilden, da diese von kalter Progression besonders stark betroffen sind.

Die Piratenpartei ist sich der Tatsache bewusst, dass in einem ersten Schritt Steuereinnahmen in jährlicher Höhe von ca. drei Milliarden Euro wegfallen, wenn die verdeckten Steuererhöhungen durch die kalte Progression beseitigt werden. Dies würde aufgrund der knappen Haushaltslage in einem zweiten Schritt explizite Steuererhöhungen nach sich ziehen, die dann jedoch transparent und unter Vollzug einer öffentlichen Debatte erfolgten. Die Politik hätte sich dann für Steuererhöhungen, die heute noch verdeckt erfolgen, zu rechtfertigen. Die einseitige Belastung der Mittelschicht würde damit unwahrscheinlich.

Antragsbegründung

Im Folgenden wird erklärt,

  • wie kalte Progression funktioniert,
  • warum sie zu beseitigen ist,
  • wie sie zu beseitigen ist,
  • warum sie bisher nicht beseitigt wurde und
  • warum ihre Beseitigung ein piratiges Anliegen ist.

Was ist kalte Progression?

Das Phänomen möchte ich anhand eines vereinfachten Fallbeispiels erklären, welches die Problematik auf das Wesentliche reduziert.

Angenommen wir haben ein Steuersystem, in dem für jährliche Einkommen bis 20.000 Euro 20% Einkommenssteuer fällig werden und für jeden Euro der über 20.000 Euro hinaus verdient wird, 40% an Steuern abgeführt werden.

Jemand der 20.000 Euro im Jahr verdient, muss darauf also 20% d.h. 4000 Euro an Steuern bezahlen. Jemand der 40.000 Euro im Jahr verdient, zahlt auf 20.000 Euro 20% (also 4000 Euro) und auf die darüber hinausgehenden 20.000 Euro 40% (also 8000 Euro). Insgesamt zahlt die Person also 12000 Euro Steuern.

Soweit so gut. Was passiert nun, wenn es zu Inflation kommt? Zur Verdeutlichung nehmen wir eine 100%ige Inflation an. In der Realität tritt eher eine 2%ige Inflation auf.. das Problem stellt sich allerdings in der gleichen Weise.

Bei 100%iger Inflation verdoppelt sich sowohl das Gehalt der Person, ebenso wie alle anderen Preise. Was passiert?

Die Person kann sich genauso viel leisten wie bisher. Sie bekommt doppelt soviel Gehalt, muss aber auch für alle Dinge das doppelte bezahlen. Wenn sie sich also bisher für 16.000 Euro einen Roflcopter kaufen konnte, ist ihr das nach Inflation immer noch möglich; allerdings für 32000 Euro.

Das Problem entsteht nun aufgrund der zuvor erklärten Steuerprogression.

Hat die Person also bisher 20.000 Euro im Jahr verdient und 4000 Euro Steuern gezahlt, so verdient sie nun 40.000 Euro und muss demensprechend (s. oben) 12000 Euro an Steuern bezahlen. Sie hat nach Steuern also noch 28.000 Euro zur Verfügung. Vor Auftreten der Inflation hatte sie nach Steuern noch 16.000 Euro zur Verfügung. Angenommen sie hat sich bisher für diese 16.000 Euro einen Roflcopter kaufen können, so kostet dieser Roflcopter nach der Preisverdopplung nun 32.000 Euro. Durch die kalte Progression hat die Person nach Steuern aber nur noch 28.000 Euro zur Verfügung und kann sich den Roflcopter nun nicht mehr leisten. Die Differenz von 4000 Euro (Gegenwert vor Inflation: 2000 Euro) streicht der Staat ein.

Warum ist kalte Progression zu beseitigen?

Das Phänomen der kalten Progression ist ein Bug im deutschen Steuersystem. Die Intention eines progressiven Steuersystems ist es, stärkere Schultern stärkere Lasten tragen zu lassen. Nicht intendiert ist jedoch, dass sich die Belastung im Zeitablauf einseitig verschiebt. Genau das passiert aber durch das Zusammenwirken von Inflation und Steuerprogression. Dies ist ein trivialer Sachverhalt, der in den Wirtschaftswissenschaften schon seit langem bekannt ist, in der deutschen Politik bislang jedoch weitestgehend ignoriert wurde. Studien haben gezeigt, dass durch die kalte Progression jährlich ca. 3 Mrd Euro an zusätzlichen Steuereinnahmen generiert werden. Diese faktischen Steuererhöhung erfolgen verdeckt, weil für sie keine Beschlüsse des Bundestages nötig sind, sondern sie über die kalte Progression erzeugt werden. Man könnte auch sagen, dass die deutschen Steuerzahler*innen im Jahr um 3 Mrd Euro betrogen werden. Denn kein*e Politiker*in muss sich für eine Steuererhöhung rechtfertigen; dennoch erfolgt sie.. eben versteckt.

Wie kann kalte Progression beseitigt werden?

Dies kann behoben werden, indem man die Steuerstufen mit einem Inflationsindex multipliziert. Bei einer 100%igen Inflation würde sich ein Inflationsindex von 1 auf 2 verdoppeln. Die Steuerstufe, die bei 20.000 Euro liegt wird mit dem Index also mit 2 multipliziert und liegt nach der Inflation folglich bei 40.000 Euro. Die Person aus dem Beispiel würde ihre 40.000 Euro Gehalt nun also nur mit 20% versteuern und hätte nach Steuern 32.000 Euro übrig. Sie könnte sich den Roflcopter also gerade wieder leisten. Eine Steuererhöhung per Inflation findet nicht statt, kalte Progression wird verhindert.

In der Realität haben wir nun nicht eine Steuerstufe, sondern dutzende. Auch beträgt die Inflation eher 2%. Das Problem der kalten Progression tritt in der Realität allerdings in der gleichen Weise auf, lediglich in geringerem Ausmaß. Jährlich führt das wie gesagt dennoch zu ca. 3 Mrd Euro an steuerlicher Mehrbelastung. Am meisten leidet darunter die Mittelschicht, da diese bei Inflation sukzessive in höhere Steuertarife rutscht. Spitzenverdiener*innen zahlen vor und nach Inflation den Spitzensteuersatz und werden relativ gesehen wesentlich weniger stark belastet.

Warum wurde die kalte Progression bisher nicht beseitigt?

Das hat ausschließlich politische Gründe, technisch wäre es kein Problem. So findet bereits in 34 OECD-Ländern (darunter 11 EU-Ländern, der Schweiz und den USA) eine komplette oder teilweise automatische Anpassung des Steuertarifs statt. Steuererhöhungen sind jedoch unpopulär und somit sind verdeckte Steuererhöhungen eine willkommene Gelegenheit für die Politik sich einerseits um die Rechtfertigung der faktischen Steuererhöhungen zu drücken und sich andererseits alle paar Jahre für Steuersenkungen feiern zu lassen, die de facto aber nur einen Teil der bisher verdeckt erfolgten Steuererhöhungen zurücknehmen.

Warum ist die Beseitigung von kalter Progression piratig?

Die bisherige Praxis widerspricht zutiefst den Vorstellungen von einer transparenten Steuerpolitik in der sich die Politik für Steuererhöhungen vor den Bürger*innen rechtfertigen muss. Bei Annahme des Antrags und Implementierung des Vorschlags würden die Steuererhöhungen zwar trotzdem durchgeführt werden müssen, da auf die 3 Mrd. Euro nicht verzichtet werden kann. Jedoch müsste das dann auf transparente Art erfolgen und von einer öffentlichen Diskussion begleitet werden. Die Piratenpartei kann somit durch Annahme des Antrags dazu beitragen, dass die Besteuerung transparenter wird und sich die Politik für die deutsche Steuerrealität stärker verantworten muss.

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